Opernfestspiele:Raunen von der Anatomie eines Mordes

Z: Simon Bailey (Archosaurier)

Markus Hagenbucher in der Rolle des Pterodactylus.

(Foto: Wilfried Hösl)

Versuch eines politischen Musiktheaters: Minas Borboudakis' "Z" in der Festspiel-Werkstatt der Staatsoper

Von Egbert Tholl

1963 wurde der griechische Oppositionspolitiker, Arzt und Pazifist Grigoris Lambrakis in Saloniki auf der Straße ermordet, 1966 schilderte der Roman "Z" von Vassili Vassilikos die Geschehnisse und ihre Hintergründe, Ende 1969 kam der gleichnamige Film von Costa-Gavras in die Kinos, 2018 die wiederum gleichnamige Oper von Minas Borboudakis in Athen heraus. Jetzt ist sie in der Festspiel-Werkstatt der Staatsoper in der Reithalle zu sehen. Die Oper beruht auf dem Roman, weniger auf dessen Verfilmung. Die kam heraus, als in Griechenland (seit 1967) die Militärdiktatur herrschte, ihr Ende ist ein umfassender Abgesang auf die Demokratie. So endet die Oper heute nicht. Muss sie auch nicht. Problematischer ist, dass es in dem gesamten Roman keinen einzigen Satz gibt, dem man anhörte, dass er vertont werden sollte. Entsprechend ist das romangetreue Libretto von Vangelis Hatziyannidis respektive dessen deutsche Übersetzung durch Michaela Prinzinger ein grandios unsangliches, sprödes, konstatierendes, kaum lebendiges Gebilde. Vielleicht sollte man es auf Griechisch hören.

Borboudakis macht damit das einzig Richtige: Er rhythmisiert den Text radikal, unterlegt ihn mit einem geräuschhaften Teppich, lässt elf Musiker, die er selbst dirigiert, pochen und atmen, schnaufen und explodieren, spielt Sounds und Geräusche dazu, lässt eine E-Gitarre schroff agieren. Das ist sehr gut gemacht und funktioniert bis zur (idiotischen) Pause als langes, kontinuierliches Crescendo sehr gut. Danach kippt die Oper in einen Zustand.

Aus diesem heraus rinnt eine trübe Suppe aus Esoterik, Pseudoreligiösem und unendlich viel Pathos. Dann spricht die Witwe, Noa Beinart, ein kaum endendes, völlig verblasenes Lamento vom Fehlen des Ermordeten. Opernsängerinnen, die gut sprechen können, sind selten. Hier kommt hinzu, dass die an sich völlig legitime Trauer den politischen Gehalt, den man zuvor zumindest erspüren konnte, vollkommen nivelliert. Die Witwe eines Rechtsradikalen würde kaum anders trauern. Das Private, hier ist es eben nicht politisch.

Auf einem 32 Meter langen Steg erfindet Regisseur Kevin Barz Begegnungen der Figuren, als Chimären und real. Der irre Polizeipräsident, den Simon Bailey als geifernden Fanatiker singt und spielt, zettelt eine Verschwörung an, seine Handlanger sind mittellose Vollidioten und ein paar hirnbefreite Schläger. Natürlich denkt man da an den NSU, an den Mord an Walter Lübcke, das muss man gar nicht betonen, das ist einfach da, erschütternd. Aber "Z", der Roman und der Film, erzählen von einem Schattenstaat, von einem brutalen, systemischen Nationalismus, der schließlich in die Diktatur mündet. In der Reithalle erspürt man von dieser Brisanz nichts, da mordet einfach eine Handvoll Proleten.

Technisch ist die Aufführung beeindruckend, das Licht von Benedikt Zehm ist fabelhaft. In ihm erscheint Z selbst, der Schauspieler Edmund Telgenkämper. Er hat die tiefe Würde eines echten, aufrechten Menschen, er ist Sinnbild vom notwendigen Weiterleben einer Idee. Die zu schärfen, gelingt "Z" nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: