Opernfestspiele:Ovationen für einen Weltstar

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Der spanische Bariton Plácido Domingo, inzwischen 76 Jahre alt, beglückt das Münchner Publikum als Giorgio Germot in Verdis "La Traviata"

Von Klaus Kalchschmid

Seinetwegen gab es am Ende bei doppelten Preisen stehende Ovationen. Und das zu Recht, ist er doch einer der letzten großen Sänger des 20. Jahrhunderts, der noch auf der Bühne steht: Vor 40 Jahren erklang Plácido Domingos Stimme an der Seite von Ileana Cotrubas Alfredo in einer legendären Studioaufnahme unter Carlos Kleiber mit Chor und Orchester der Bayerischen Staatsoper. Er sang damals auch Rodolfo, Werther oder Radames am Nationaltheater und 2002 Hermann in Tschaikowskys "Pique Dame". Jetzt kehrte der 76-Jährige nach München zurück: in der Baritonrolle des Vater Germont in der "Traviata".

Es ist noch alles da: das unverwechselbare Timbre in seiner Schönheit und seinem Reichtum, die natürliche Bühnenpräsenz, der hinreißende Charme. Domingo muss zwar jetzt bei längeren Phrasen zwischenatmen, doch mit guter Technik kaschiert er das, wie er auch den Stimmsitz perfekt kontrolliert und so wunderbar tragfähig klingt ohne forcieren zu müssen. Die Brutalität und Verlogenheit, mit der Germont das Glück des Sohnes und das Leben Violettas zerstört, hat Giuseppe Verdi mit verschiedensten musikalischen Mitteln angedeutet, aber Domingo ist so sehr sympathischer älterer Herr, dass man es ausnahmsweise der Figur abnimmt, was sie da tun muss und wie sie es tut. Charles Castronovo singt seinen Sohn Alfredo mit schönem, dunklem Tenor wunderbar zurückhaltend und stilistisch fein. Aber er wirkt etwas gebremst in Spiel und Ausdruck und der sonst bei ihm so schöne bronzene Glanz der Stimme fehlte.

Anfangs wirkt auch Diana Damrau etwas spröde, aber dann verkörpert sie die Traviata wie schon bei den Opernfestspielen vor drei Jahren schlichtweg phänomenal. Sie durchlebt das Schicksal dieser Pariser Kurtisane des 19. Jahrhunderts mit jeder Geste und jeder Faser ihres Körpers, als wäre Violetta eine Frau von heute. Diesmal sind die Facetten noch feiner, das Ausloten dessen, was Verdi so genial komponiert hat, noch tiefer gehend. Das quälend langsame Sterben im dritten Akt und das vergebliche Festhaltenwollen am Leben, als der geliebte Alfredo endlich wiederkehrt, das singt und spielt Damrau so realistisch und am Ende mit Mut zu verzweifelten, zu hässlichen und fahlen Tönen am Rande von Flüstern und Schreien, dass es einem das Herz einschnürt.

Wie schon im April dieses Jahres leitete Andrea Battistoni das Staatsorchester mit unglaublicher Energie und oftmals einer Gestik wie ein Wirbelwind. Das Ergebnis konnte sich hören lassen: Nicht nur die Vitalität der Feste im ersten und dritten Bild bekam so prägnantes, scharfes Profil; der kaum 30-jährige Italiener konnte auch schon im ätherischen Vorspiel und im gesamten, oft so ruhigen letzten Bild mit einem ausgezeichneten Staatsorchester die Spannung in jedem Moment halten.

Festspielwürdig war der Abend nicht zuletzt auch durch Mitglieder des Opernstudios wie Galeano Salas, Johannes Kammler und Milan Siljanov in kleinen Partien, oder Bassist Lukasz Konieczny, der mit einem gefährlich auftrumpfenden Baron Douphol an der Staatsoper debütierte.

La Traviata; Do., 29. Ju ni, in der kommenden Saison Mi. und S a., 25. und 28. Juli 2018, jeweils 19 Uhr, Bayerische Staatsoper

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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