Operette:Und alle spielen mit

Operette: Ein Traumpaar: Ernestine Blumenkohl (Anne Steffens) und ihr mittelloser, wenn auch musikalischer Liebhaber Fridolin Hastewas (Julian Freibott).

Ein Traumpaar: Ernestine Blumenkohl (Anne Steffens) und ihr mittelloser, wenn auch musikalischer Liebhaber Fridolin Hastewas (Julian Freibott).

(Foto: , Julia Fromm & Thomas Wild)

Das Hofspielhaus nimmt mit "Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre" eine kluge Satire auf die feine Gesellschaft ins Programm

Von Geraldine Oetken

Das Hofspielhaus gibt sich die Ehre. Es hat zu einer Operette über die großen Gefühle, über geheime Liebe und den ganzen Schabernack geladen. Die Gäste strömen zur Premiere zahlreich herbei, soweit es der kleine Raum des Hofspielhauses zulässt, stoßen mit Chinchin an, klettern über die enge Bestuhlung. Und sind somit selbst Teil des Stücks "Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre".

Der besagte Herr Blumenkohl (Torsten Frisch) gibt sich die Ehre und lädt zur Soiree. Er hasst Musik, aber nicht die Anerkennung, die dem Gönner und Mäzen dann widerfährt. Drum sollen die großen Stars der Opernszene ihm zu seinem neureichen Ruhm verhelfen. Als die jedoch absagen, springt Tochter Ernestine (Anne Steffens) samt heimlichem und musikalischem Liebhaber Fridolin (Julian Freibott) ein und mit dem Herrn Blumenkohl mimen sie die Diven und Prinzen, zwingen ihn schließlich, in Kostüm und mit feinster Opernmanier, den Segen für die Heirat zu geben. Ein Verwechselungsspiel, das mit hinreichend Spitzen die klassischen musikalischen und dramatischen Motive der Oper parodiert.

Dem geneigten Operetten-Liebhaber dürfte die Geschichte nicht unbekannt vorkommen, im Januar erst hat das Gärtnerplatztheater zu seinem 150. Jubiläum die Operette unter dem Titel "Salon Pitzelberger" von Jacques Offenbach auf die Bühne gebracht. In der Fassung von Dominik Wilgenbus für das Hofspielhaus hingegen ging es erst einmal um Verzicht: Mini-Bühne, kein Orchester, schon gar kein Graben, dafür Cello, Klavier und die drei Sänger. Mit einer Effizienz, auf die jede Personalabteilung stolz wäre, ist der Pianist (Dominik Wilgenbus) Barmann und Stehlampe zugleich und der Cellist (Juri Kannheiser) ostfriesischer Diener in knittriger Boxershorts. Das Publikum der Soiree spielt: das Publikum.

Selbst gegen die niedrige Betondecke entwickeln die Stimmen ihre reiche Fülle, Cello und Klavier schaffen es allein recht lässig, ein ganzes Orchester zu ersetzen, oder eher zu parodieren. Während Ernestine nun ihren Vater mit "mio padre" anfleht, der Herr Blumenkohl mit einem dramatischen "Fallalii, Fallalaa" mangels Italienisch-Kenntnissen antwortet, wirkt die Bühne für das ganze Stürmen und Drängen aber doch etwas klein. Dennoch hat das Epos in Miniatur-Gestalt auch seine Vorzüge.

Denn die Nähe zur Bühne demaskiert fast in Brechtscher Manier das Spiel: Das rotfleckige Dekolleté ist sichtbar, der Achselschweiß im Hemd, ebenso wie die unfreiwillig zittrigen Finger des Torsten Frisch alias Blumenkohl beim Halten eines Briefes, die Locken plätten sich. Operette und Klamauk sind harte Arbeit, für die Darsteller gibt es kein Verstecken. Und das ist gut, denn nur so doppelt sich das kluge Matroschka-Spiel mit der Oper in der Operette. Der Darsteller schwitzt, die Rolle auch, und die Rolle in der Rolle ebenso. Das Stück imitiert damit nicht nur eine Wirklichkeit, sondern wirkt in sie hinein, überschneidet sich mit ihr. Das, was nicht gespielt sein sollte, ist plötzlich doch gespielt. Ebenso wie Begeisterung und Lacher im Publikum. Auch, wenn etwas mehr Mut zu Pausen, Ruhe und Stille in dem schnellen Feuer der Komik den Witz noch geschärft hätten. Denn wenn die Zuschauer lachen, reagieren sie nicht nur als Gäste des Hofspielhauses, sondern auch als Besucher der Soiree. Wenn Herr Blumenkohl die Herren und Damen, "auch von der Presse", begrüßt, dann agieren Publikum und Presse in der Rolle der prestige-verleihenden, und denkenden Gesellschaft für den Herrn Blumenkohl, genauso aber auch für das Hofspielhaus. Das herzliche Lachen über das Stück und insbesondere den Diener wandelt sich dann auch zum Lachen über sich selbst. Denn das Publikum spielt eben diesmal wirklich ohne Gage mit.

Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre; bis zum 31. April, 20 Uhr, 1. Mai, 18 Uhr, 5. Mai, 20 Uhr, Hofspielhaus, Falkenturmstr. 8

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