Süddeutsche Zeitung

Operette:Schluss mit lustig

Das Gärtnerplatztheater spielt Kálmáns "Faschingsfee"

Von MICHAEL STALLKNECHT

Die Operette war auf ihrem Höhepunkt eine höchst pragmatische Angelegenheit. Als Emmerich Kálmán nach dem Erfolg seiner "Csárdásfürstin" im Jahr 1917 für Wien ein neues Stück brauchte, ließ er eine eigene ältere ungarische Operette überarbeiten. Weil mondänere, aber verfeindete Schauplätze wie Paris oder Venedig im Ersten Weltkrieg nicht infrage kamen, verlegten es die Librettisten in den Münchner Fasching und legten eine Operettenkonstellation drüber: Ungarische Fürstin verliebt sich in Münchner Maler, Operettenchoristin hat ein Techtelmechtel mit einem Baron. Die Heirat ist wegen des Standesunterschieds unmöglich, wird von der Operette aber möglich gemacht. Geboren war die von Kálmán selbst später nicht mehr sonderlich geschätzte "Faschingsfee".

Josef E. Köpplinger, Intendant des Gärtnerplatztheaters, bearbeitet das Stück denn auch stark, um es einhundert Jahre nach der Uraufführung an seinem Schauplatz München herausbringen zu können. In der Alten Kongresshalle an der Theresienwiese versucht er vor allem, den Zeithintergrund der Uraufführung spürbar zu machen: Mitten im Krieg war der Fasching in München verboten. Also geht es ärmlich und ohne karnevaleske Verkleidung zu, während ein Bewegungskorps aus Soldaten und Krankenschwestern die Kriegswirklichkeit bezeichnet. Doch dieses Setting bleibt reine Staffage, weil es Köpplinger nicht gelingt, den Abgrund zwischen Sterben und Lebenslust, zwischen zusammenbrechender europäischer Ordnung und Tanz auf dem Vulkan wirklich erfahrbar zu machen. Dafür sorgen schon der spießig ausstaffierte Elendsrealismus der Kostüme und die für den kleinen Raum viel zu großen Theatergesten, die einerseits keinen Platz für intime Momente lassen, sich aber andererseits auch nie zur Operettenschrillheit versteigen.

Gleichzeitig erzählt Köpplinger an den Standesunterschieden vorbei, die nolens volens die Paarbeziehungen und damit die schwache Handlung tragen müssten. Camille Schnoor (Fürstin), Daniel Prohaska (Maler), Nadine Zeintl (Choristin) und Simon Schnorr (Baron) singen und spielen großartig, aber in den luftleeren Raum hinein. Dass ihre Musiknummern nicht gerade hitverdächtig wirken, mag auch daran liegen, dass das Orchester unter der Leitung Michael Brandstätters flächig verstärkt aus dem Hintergrund spielen muss. Am Ende ist diese "Faschingsfee" weder amüsant noch irgendwie berührend - und münchnerisch gleich sowieso nicht.

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Quelle:
SZ vom 18.02.2017
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