Oper:Untergang im Schlafgemach

David Alden bringt Rossinis "Semiramide" auf die Bühne

Von Rita Argauer

Die größten Geheimnisse offenbaren sich im Schlafzimmer. Nicht nur zwecks der Intimitäten, die dort bisweilen ausgetauscht werden. Auch ganz oberflächlich spiegeln Schlafgemächer die Charaktere ihrer Eigentümer wider. Das zeigt sich etwa in einem Vergleich der Betten von Marie Antoinette, Nicolae Ceaușescu, Recep Erdoğan und Donald Trump: Der güldene Prunk der Gemächer erstrahlt in verwechselbarer Ähnlichkeit. Die babylonische Alleinherrscherin Semiramide hat in der Bayerischen Staatsoper nun auch ein solches Gemach bekommen: Gold-Applikation neben geschwungenen Hölzern, prunkvoll und protzig. Doch es passt, immerhin hat Regisseur David Alden Rossinis Oper in ein imaginiertes totalitäres System versetzt.

"Es ist ein Mash-up", erklärt Alden sein Setting, das er irgendwo zwischen Nordkorea und dem Mittleren Osten angesetzt habe. Mit totalitärer Macht regiert dort Semiramide, die durch den Mord an ihrem Gatten ihre Alleinherrschaft begründet. Die Oper erzählt den Kampf mit den eigenen Dämonen, die familiären und amourösen Zerstreuungen und das politische Ränkespiel als einen menschlichen und politischen Untergang im prunkvollen Schlafgemach.

Der Regisseur David Alden kehrt mitdieser Arbeit an die Bayerische Staatsoper zurück, deren Inszenierungsästhetik er zu Zeiten der Intendanz von Peter Jonas als ständiger Gast am Haus maßgeblich geprägt hatte. Mehr als 15 Inszenierungen hat der US-Amerikaner zu dieser Zeit in München geschaffen, darunter Wagners "Ring" oder eine Reihe von Händel-Opern. 2006 nahm die Staatsoper acht seiner Produktionen zu den Opernfestspielen wieder ins Programm. Danach gab es eine Alden-Pause am Haus.

"Vieles hat sich hier verändert", sagt er nun, gut zehn Jahre später, wieder im Probenprozess in München nach einer Einladung von Intendant Nikolaus Bachler. Doch Veränderung sei normal im Theater, und einen gewissen vertrauten Geist spürt er auch heute noch in München. Die Zeit, die er nicht hier gearbeitet hat, habe er jedoch auch gebraucht: "Ich hatte all meine Karten hier mindestens fünf Mal gespielt", sagt er, es sei gut gewesen, an anderen Orten zu arbeiten und als "neuer Mensch" mit neuen Auffassungen wiederzukommen. Mit "Semiramide" kommt er mit einem brandaktuellen Stoff zurück. "Es ist einer von diesen furchtbaren Machtkämpfen", erklärt er, "es gibt Kämpfe um die Herrschaft und Kämpfe zwischen Religion und Politik, es ist sehr heutig". Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Oper ein Hit. In München gab es im 20. Jahrhundert jedoch nur eine einzige Neuaufführung, konzertant mit Edita Gruberová in der Titelpartie.

Doch Alden sucht einen anderen Zugang: "Normalerweise wird die Semiramide immer von einem Koloratursopran gesungen", sagt er, aber: "In Wirklichkeit ist die Rolle nicht so geschrieben. Rossini hat das für seine Ehefrau geschrieben, und die war kein Koloratursopran, sie war eine Tragödin mit einer tieferen Stimme und dunkleren Farben." Diese Rollenauffassung erfüllt ihm nun die Mezzosopranistin Joyce DiDonato, die als Semiramide ihr Rollendebüt geben wird. Das Dunkle und das Psychologisierende liegen Alden. Die technische Virtuosität, die die Sänger für Rossinis komplizierte Partitur brauchen, sei für ihn nur ein Drittel der Kunst: "Man muss diese Musik nehmen und etwas damit machen. Sonst hat es keinen Sinn."

Semiramide, Premiere: So., 12. Feb., 18 Uhr, Nationaltheater, Live-Übertragung auf BR-Klassik

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