Oper:Roboter am Werk

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Vera Semieniuk als Nancy (links) und Anna Pisareva (Lady Harriet) als reichlich ulkige Damen im wohlig-rosa Leben der Langeweile. (Foto: Juliane Zitzlsperger)

Flotows romantisch-lustige Oper "Martha" taugt durchaus zur zeitgenössischen Satire - das beweist gerade das Theater Regensburg mit einem bemerkenswerten Sängerensemble

Von Egbert Tholl

Nun ja, eigentlich ist das ja ein Riesenzopf: "Martha" von Friedrich von Flotow. Auch wenn der Tenor darin eine Arie hat, die sogar ein Caruso zu einer seiner Lieblingsnummern erklärte - "Martha, Martha, du entschwandest". Die Geschichte indes ist fast schon rührend harmlos, und das bisschen, was an Konflikt darin enthalten ist, wird am Ende auch noch hübsch aufgeräumt. Das Konfliktlein besteht, wie so oft, im angenommenen Standesunterschied zwischen den Liebenden, der sich dank eines Rings aber als nur vermeintlicher erweist.

Wäre eigentlich gute Sonntagnachmittagsunterhaltung, die Musik passt ja auch dazu, weil sie ein Amalgam ist, das man so oder anders dirigieren kann, sprich: Man kann die Partitur als die einer französischen Opéra comique nehmen oder als deutsches Singspiel, oder man kann auch die Offenbach'schen Anleihen aufspüren - schließlich waren Offenbach und Flotow, der mecklenburgische Ritter, in Paris gute Freunde geworden. Tatsächlich entscheidet sich Tom Woods in Regensburg dafür, allen Bestandteilen gleichberechtigt Raum zu geben - das klappt auch.

Aber: Der Regensburger Intendant Jens Neundorff von Enzberg verfolgt im Musiktheater zwei Wege. Entweder präsentiert er Stücke, die man kaum an dem schönen Theater in der schönen Stadt erwarten würde, in dieser Saison etwa kommen dort noch das Supernaziverarschungsmusical "The Producers" oder die Oper "Freax" von Moritz Eggert heraus. Oder eben er gibt Klassiker des Repertoires inklusive der Stücke der Sonntagnachmittagsunterhaltung in die Hände von munteren Regisseuren. Im Fall von "Martha" ist dies Johannes Pölzgutter. Der erinnerte sich offenbar an einen Film, "Die Frauen von Stepford". Den gibt es zweimal, einmal aus dem Jahr 1975 und einmal von 2004, da dann mit unter anderen Bette Midler und Nicole Kidman; beide Filme beruhen auf einem Roman von Ira Levin und beschreiben das perfekte Glück in einer Kleinstadt, in der die Frauen nicht altern, weil sie Roboter sind.

Pölzgutter ließ sich von Nikolaus Webern (Bühne) und Janina Ammon (Kostüme) eine Welt bauen, in der das Personal eben aus Robotern besteht, sich der Chor also recht eckig benimmt, die Welt rosarot ist und die Ladyschaft der Harriet aus dem Firmenimperium zur Herstellung der künstlichen Haushaltshilfen besteht. Das Tolle daran: Das geht total auf.

Der kleine Konflikt in "Martha" beginnt bei einem Jahrmarkt, auf welchem die Hausangestellten, wie auf einem aus der Welt gefallenen, putzigen Sklavenmarkt, sich in neuen Stellen verdingen. Da passt das Roboterhafte hervorragend hinein, auch natürlich als Groteske des perfekten Funktionierens, und dafür, dass die Idee noch viel weiter trägt, sorgen vor allem Anna Pisareva (Harriet, alternierend mit Theodora Varga) und Vera Semieniuk. Sie spielen mit dem versoffenen Aberwitz des gelangweilten Überdrusses zweier Oberschichtstussen; entsprechend gibt es hier auch kein Liebes-Happy-End, die Damen holen sich lieber den nächsten Drink. Und singen dabei herrlich; gerade Pisareva passt in die Rolle wie Arsch auf Eimer, alles, was sie macht, ist reine Perfektion und dabei saukomisch. Dazu die zwei Jungs, sehr ordentlich Bariton Jongmin Yoon, verblüffend Angelo Pollack: Der lyrische Tenor kommt direkt von der Hochschule und singt wie aus längst vergessenen Zeiten. Durch die Aufführung geistert eine "Martha"-Platte mit Anneliese Rothenberger - da hätte Pollack auch mitmachen können.

Natürlich, alles bleibt heiter. Aber Pölzgutter hat Sinn für viele kleine Details, lustige Einfälle, so dass das Ganze einen höchst vergnüglichen Schauwert hat. Außerdem muss man eh nur darauf warten, dass Semieniuk mit stoischer Komik den nächsten Ulk veranstaltet oder Pisareva den ganzen schrägen Liebreiz ihrer Person in die nächste Koloratur legt.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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