Oper:Liebe auf Rädern

FOTOS: PEDRO MALINOWSKI  XERXES  Dramma per musica von Georg Friedrich Händel  TEAM  Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner  Regie, Bühne, Kostüme: Clarac-Deloeuil > le lab  Dramaturgie: Luc Bourrousse, Georg Holzer  TAGESAKTUELLE BESETZUNG AM 24. NO

Xerxes (Almerija Delic, vorn) sucht nach Liebe - wie alle.

(Foto: Pedro Malinowski)

Die Oper "Xerxes" spielt in Nürnberg in einem Skaterpark

Von Klaus Kalchschmid, Nürnberg

Es ist bereits absurd, wenn zu Beginn von Georg Friedrich Händels "Serse" der Perser-König Xerxes die Zweige einer Platane ansingt; doch an der Nürnberger Oper ist das geliebte Holz, das er anschmachtet, das eines Skateboards. Also spielt das Geschehen um zwei Brüder, die dieselbe Frau, und zwei Schwestern, die denselben Mann lieben, mit all' den schönen Komplikationen einer Barockoper neben, auf oder hinter einer hölzernen Halfpipe. Sie wird allerdings nur von drei Statisten benutzt, während die Protagonisten sie zwar mal hinauf rennen, aber ansonsten tunlichst ein mögliches Verletzungsrisiko meiden und sich lieber, wie so mancher Banker in der Stadt, auf dem Roller fortbewegen und auch den virtuosen Tanz auf einem kleinen BMX-Rad einem Profi überlassen.

Für die Regie, die Bühne und die fantasievoll Zeiten und Stile vermischenden, aber allzu beliebig wechselnden Kostüme ist bei der Nürnberger Produktion die französische Künstlergruppe um Jean-Philippe Clarac und Olivier Deloeuil mit dem Namen "Clarac-Deloeuil > le lab" verantwortlich. Sie versteht den Skatepark als "Ort der Gefühle, wo sich die Leidenschaften in der Metapher des rollenden Objekts symbolisieren." Wozu aber das Ganze, wenn der Reiz des "riskanten Spielplatzes, wo man stürzen und scheitern kann", transportiert werden muss durch Interviews mit echten Nürnberger Skatern, die auf Video-Leinwand eingeblendet werden, und ein süßes ferngesteuertes Board, das mit leuchtend grünen Rollen um das Opernhaus kurvt?

Doch glücklicherweise gibt es die Musik des reifen Händel, der nicht mehr die großen Gefühle der Opera seria in langen Dacapo-Arien entfaltet, sondern sich ge-schmeidig den Volten der Handlung an-passt. Hier ist die Partitur noch um ein knappes Drittel verdichtet und wird von der Staatsphilharmonie Nürnberg mit wenigen Spezialisten an Theorbe, Barockgitarre und Cembalo unter Leitung des Barock-Spezialisten Wolfgang Katschner bewundernswert prägnant und präzise zum Leben erweckt, durch das jede Phrase plastisch und spannungsvoll modelliert ist.

Auch gesungen wird großteils hervorra-gend, etwa von den Sopranistinnen Julia Grüter und Andromahi Raptis als Geschwisterpaar Romilda und Atalanta, während die warme, klangvolle Mezzosopranistin Martina Dike als unglücklich in Xerxes verliebte Amastre davon in einer der schönsten Arien der Oper singen darf.

Zvi Emanuel-Marial setzt seinen Countertenor als Arsamene mit flammender Attacke ein und auch der Mut zur singenden Expression seines Bruders Xerxes deckt sich bei Almerija Delic mit ihrem schauspielerischen Einsatz. Beides kulminiert in der am Ende plötzlich explodierenden, berühmten Arie "Crude furie degl'orridi abissi - Böse Furien des grauenhaften Abgrunds", in der Xerxes den Bruder als einen Rivalen um die Gunst Romildas anklagt. Die Mezzosopranistin aus Bosnien singt das mit großer, leidenschaftlicher, in der Tiefe dunkel gurrender und in der Höhe manchmal glutvoll flackernder Stimme, schreit und greint es aber auch mit herrlichem Mut zur Hässlichkeit heraus. Da bekommt der szenisch allzu harmlose Abend doch noch eine musikdramatische Attacke, die freilich schnell im gattungsbedingten "Lieto fine", dem Happy End, aufgehoben wird.

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