Oper:Es leuchtet der See der Sehnsucht

Rusalka

Judita Nagyova als auf einem Anker herabschwebende Hexe Ježibaba und die anrührende Karen Vuong als die unglücklich liebende Nixe Rusalka.

(Foto: Xiomara Bender)

Bernd Loebe ist der neue Intendant der Erler Festspiele und zeigt zur Eröffnung Dvořáks "Rusalka"

Von Egbert Tholl, Erl

Eines Tages läutete das Telefon von Bernd Loebe, und am anderen Ende der Leitung war Hans Peter Haselsteiner dran. Loebe leitet seit 2002 sehr erfolgreich die Frankfurter Oper, er hat einen Hang zur Innovation und ein extrem gutes Gespür für Sängerinnen und Sänger. Haselsteiner wiederum brauchte einen Intendanten. Der alte, Gustav Kuhn, war über Me-Too-Vorwürfe gestolpert, vertrieben worden und verschwunden, die Festspiele von Erl waren in der Folge in der künstlerischen Leitung verwaist. Haselsteiner hatte das neue Festspielhaus dort maßgeblich finanziert, über seine Privatstiftung zahlt er die Hälfte des laufenden Budgets. Keineswegs wollte er seinen Traum von modernen Festspielen dort in Tirol, nahe der bayerischen Grenze, aufgeben.

Bernd Loebe schlief eine Nacht über die Anfrage, besprach sich mit seiner Frau und sagte zu. Die diesjährigen Winterfestspiele, die am 26. Dezember mit Dvořáks Oper "Rusalka" beginnen, sind die ersten unter seiner Leitung.

Natürlich wird es gewisse Synergieeffekte geben zwischen Erl und Frankfurt; die zweite Opernproduktion dieses Winters etwa, Donizettis "Liebestrank" (Premiere 2. Januar), wird auch in Frankfurt zu sehen sein. Wenn möglich will Loebe das Erler Festivalgefühl dadurch stärken, dass die Tiroler das Recht der ersten Nacht haben, die Produktionen also in Erl herauskommen. Das Orchester dort bleibt das alte der Festspiele; zum einen war das eine Bedingung von Haselsteiner, zum anderen wäre es viel zu teuer, das Frankfurter Opernorchester in Tirol in Hotels unterzubringen. Außerdem muss es ja dort spielen, wo es beheimatet ist. Ausnahme: ein Gastspiel des Frankfurter Orchesters am 3. Januar mit Bruckner und Dvořák.

Loebe will kompromisslos Qualität. Dafür waren einige Baumaßnahmen notwendig - zum Beispiel hatte das Festspielhaus bislang keine Obermaschinerie, ein Probengebäude fehlte. Nun gibt es das alles, und die Pläne bleiben ehrgeizig - im Sommer 2020 werden Humperdincks "Königskinder" und Wagners "Lohengrin" gezeigt. Doch erst einmal inszeniert nun Florentine Klepper, eine nicht unbedingt für konservative Arbeiten bekannte Regisseurin, "Rusalka", gibt es jede der beiden Opern drei Mal (bislang wurden die jeweils zwei Mal gegeben), gibt es Konzerte wie etwa das der Musicbanda Franui oder eines mit Udo Wachtveitl als Sprecher.

Bei der Generalprobe der "Rusalka" ist der erste Eindruck erst einmal die umfassende Klangschönheit der Musik. Der 27 Jahre alte Dirigent Alexander Prior kostet die Sehnsucht und die Poesie, aber auch die ganz großen dramatischen Aufwallungen aus, das Festspielorchester folgt ihm mit größter Souveränität. Nur manchmal könnte Prior ein bisschen zurückhaltender agieren, aber dieser Eindruck mag auch den akustischen Bedingungen des bei der Generalprobe leeren Hauses geschuldet sein. Mit Publikum könnte das ganz anders wirken.

"Rusalka" ist die Geschichte der Nixe, die sich in einen Prinzen, also einen Menschen verliebt, deshalb Mensch werden will, wofür sie die Hexe Ježibaba mit dem Verlust ihrer Stimme bezahlen muss. Erst ist der Prinz fasziniert, dann ist ihm die stumme Schöne unheimlich. Es folgen viel Leid und ein gemeinsamer Liebestod.

Klepper erzählt die Geschichte des Fremdseins sehr geschickt. Rusalka kann in der glatten, golfspielenden Welt des Prinzen nicht ankommen, sie gehört nicht dazu. Ach, und wie Karen Vuong diese Verzweiflung spielt, das ist grandios. Sie verfügt über ein berührendes Timbre, ihr feines Vibrato trägt die Stimme wundervoll, sie war die sechs Jahre Ensemblemitglied der Oper Frankfurt, sie ist toll. Überhaupt singen hier alle sehr, sehr überzeugend, Kleppers Inszenierung kündet von der Zerstörungslust des Menschen - die Nixen, der herrlich beleuchtete See, alle Natur wäre besser dran ohne ihn.

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