Oper:Endlosmelodien

Oper: Jennifer O'Loughlin und Alessandro Luciano im Duett.

Jennifer O'Loughlin und Alessandro Luciano im Duett.

(Foto: Thomas Dashuber)

"La Sonnambula" im Prinzregententheater

Von Michael Stallknecht

Ein bisschen stehen Jennifer O'Loughlin die Tränen in den Augen, als sie am Schluss den rasenden Applaus des Publikums entgegennimmt. "La Sonnambula", Vincenzo Bellinis Oper über eine vermeintlich untreue Schlafwandlerin, war schon immer ein Stück, das vor allem großartiger Sänger(innen) bedurfte. Umso bemerkenswerter ist, dass dem Gärtnerplatztheater in seiner aktuellen Produktion eine in allen Rollen beglückende Besetzung gelingt. Schwerelos gleitet O'Loughlins Sopran in der Titelrolle durch die Register, integriert selbst komplexeste Verzierungen leichthin in die Linie.

Die Amerikanerin hat viel Sinn und Geschmack für Bellinis "melodie lunghe", die langsamen Endlosmelodien, die sie in feinsten Pianonuancen abschattiert. Und im Duett harmoniert ihre Stimme perfekt mit dem warm klingenden Tenor von Arthur Espiritu, der die heikel liegende Partie des Elvino problemlos bewältigt. Doch auch bei den knapperen Partien erweist sich der Abend im Prinzregententheater als stimmig: in den silbrig perlenden Koloraturen von Maria Nazarova (Lisa), bei Maxim Kuzmin-Karavaev, der den Rodolfo mit sonor fließendem Bariton gibt, im kräftigen Mezzo von Anna Agathonos (Teresa) - und nicht zuletzt beim plastisch gestaltenden Hauschor. Und im Graben verwandelt Marco Comin den zart instrumentierten Orchestersatz in ein romantisch flirrendes Aquarell, das er mit einem hochdifferenzierten Hausorchester bis in die letzte Phrase durchgestaltet. Auch Comin nimmt sich viel Zeit für die "melodie lunghe", büßt dabei aber nie an musikalischem Fluss ein. Der Chefdirigent des Gärtnerplatztheaters beherrscht die hohe Kunst des Sängerbegleitens und die noch höhere des Rubato, des kunstvollen Dehnens und Vorwärtsdrängens, das diese Art von Oper erst idiomatisch wirken lässt.

Da macht es nicht so viel, dass sich die Inszenierung eher zurückhält. Regisseur Michael Sturminger möchte vor allem die wenig bekannte Geschichte erzählen, wozu er auf Biedermeierkostüme und Videoprojektionen von romantischer Landschaftsmalerei setzt. Das gelingt im Detail immer wieder plastisch, bleibt aber in den entscheidenden Momenten zu neckisch, zu operettenhaft verspielt. Beim Premierenpublikum kommt der Nostalgiecharakter der Produktion dennoch gut an. Wohl auch, weil er an diesem Abend als perfektes Sängervehikel funktioniert.

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