Oper:Andächtig unter Kränen

Tosca im Hafen Regensburg

Überlebensgroß: Sinéad Campbell-Wallace als Tosca.

(Foto: Christina Iberl)

Das Theater Regenburg zeigt Puccinis "Tosca" in einer spektakulären Inszenierung im Bayernhafen

Von Egbert Tholl, Regensburg

Was vor zwei Jahren gut ging, klappt wie von Zauberhand wieder. Damals machte das Theater Regenburg aus Wagners "Fliegendem Holländer" ein beeindruckendes Freiluftspektakel, dem es nie an Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Stück ermangelte, nun zeigen sie am selben Ort, dem Bayernhafen, Puccinis "Tosca". Und zwar so überwältigend, dass sogar der Regen kurz vor Beginn der Aufführung endet. Wasser ist ohnehin genug vorhanden, 3000 Menschen sitzen am Kai, gegenüber, jenseits des Wassers, befindet sich das Stadtlagerhaus Regensburg, ein alter Speicher mit kathedralenhafter Anmutung, vor dem gespielt wird und der als riesige Projektionsfläche dient. Mittels Video erschafft darauf Clemens Rudolph fast dreidimensional wirkende Innenräume, die Kathedrale, in der Cavaradossi malt, Scarpias Folterzentrale, einen Palast mit faschistischer Anmutung. Dort ist auch Platz für die live gefilmten Akteure, auch für manche etwas verstiegene, weitergehende Videoidee, die es gar nicht bräuchte. Die Wirkung wäre auch ohne dies enorm.

In stummer Bewunderung verharren die großen Hafenkräne, einer von ihnen fährt scheu und langsam auf seinen Gleisen, transportiert ein großes, leuchtendes Kreuz übers Wasser. Mehr braucht es nicht, denn die Kulisse ist an sich schon kolossal, aber auch die wäre nichts, wäre die musikalische und sängerische Leistung nicht so überzeugend.

In einem weißen Partyzelt auf dem Ufer, wo auch gespielt und gesungen wird, also gegenüber vom Publikum, sitzt das Philharmonische Orchester Regensburg, dessen Klang man wie die Stimmen über Lautsprecher hört. Und auch wenn man vielleicht nicht jeden Sänger in jedem Moment sofort exakt orten kann, so ist doch die Klangbalance fabelhaft gut. Der 32-jährige Regensburger Generalmusikdirektor Chin-Chao Lin ist ein toller Verrückter, treibt zu glühendem Spiel an. Vielleicht geht das ein oder andere Detail an der frischen Luft verloren, nicht aber die Inbrunst. Das Orchester, der Opern- wie der Cantemus-Chor klingen herrlich live und lebendig, von der "Bühne" kriegt man sogar die Nebengeräusche so mit, als säße man im Theater.

Maximilian Eisenacher kümmert sich um das eigentliche Geschehen, da ist gar nicht viel nötig. Es geht nicht um Neudeutung, sondern um gelungene Umsetzung. Und mit einer Tosca wie Sinéad Campbell-Wallace ist da alles möglich. Je dramatischer, desto großartiger. Dass eine solche Sängerin in Regensburg fest engagiert ist, spricht Elogen auf das Haus; sie ist unzerstörbar, umwerfend, mitreißend. Deniz Yilmaz ist ein klangschöner Cavaradossi, anfangs faszinierend fragil, dann zunehmend robuster. Als Scarpia springt Oliver Weidinger ein, der eigentlich den Mesner singen sollte, was nun mit Anmut Seymur Karimov übernimmt. Weidinger singt den Scarpia, als hätte er nie etwas anderes vorgehabt, er ist kein Vieh, aber voller viriler Lust und stimmlich ohne Makel.

Lauscht man den Gesprächen, so hat man den Eindruck, viele sind zum ersten Mal in "Tosca", vielleicht zum ersten Mal in einer Oper. Bessere Werbung kann das Theater nicht machen. Am selben Abend gibt es übrigens "Nabucco" bei den Schlossfestspielen hier. "Tosca" ist ausverkauft bis zum letzten Stehplatz: Was für eine theaterverrückte Stadt!

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