Open-Air:Seebeben

Theatron

Musiker und Zuschauer lieben die Open-Air-Atmosphäre im Theatron - es sei denn, von der Bar im Olympiasee dringen allzu laute Beats herüber.

(Foto: Theatron)

Das Theatron und eine Party-Bar befinden sich im Lärmstreit

Von Michael Zirnstein

So sehen Albträume von Dirigenten aus: Das Orchester hat monatelang auf den Auftritt des Jahres hin geprobt, die Ränge sind randvoll mit 1300 Gästen, Musiker und Publikum freuen sich auf ein bezauberndes Klassik-Open-Air in einer Sommernacht am See - da wummern Elektro-Bässe herüber, alles übertönend und zersetzend, das Orchester hört nichts anderes mehr, schon gar nicht die zarten Töne der Solo-Cellistin, nur der sichtbare Taktschlag des Maestros hält alle notdürftig zusammen, die Bässe werden lauter, die Blicke böser, die ersten Zuschauer gehen protestierend nach Hause. Der Albtraum wurde vergangenen Sonntag wahr, als Hartmut Zöbeley mit seinem jungen Orchester Sinfonietta München im Theatron auftrat.

In seinem Programm "Fremde Welten" kämpfte unter anderem Schostakowitschs 2. Cellokonzert g-Moll op. 126 gegen die Party "Crux Sundy Wit da Vibes" inklusive Tracks wie "What The Fuck" in der benachbarten Disco-Bar "Saluti di Capri" - und verlor. Lange hielt Zöbeley durch, weniger aus Trotz, mehr aus Verantwortung seinen 70 Schützlingen zwischen 18 und 26 Jahren gegenüber, die sich so intensiv vorbereitet hätten. Nach der Pause ließ er noch den lauteren letzten Satz spielen, kürzte das Konzert aber schließlich um eine Stunde. "Ich spürte einen Schmerz, dass das Lebendige, von Künstlerhand mit Herzblut gespielte so zerhauen wird, dass sich am Ende das Laute, Kommerzielle durchsetzt", berichtet er. Derweil machen bei der Festivalleitungs-Agentur Eurart empörte Besucher ihrem Ärger über den Konzertabbruch mit E-Mails Luft: "Wer auch immer das Sagen hat, schämt Euch!"

Die Hauptorganisatorin Judith Becker hatte schon beim Abbruch auf der Bühne den Groll einiger Gäste umgelenkt: "Buht ruhig, aber es muss in die richtige Richtung laufen." Man habe erst zwei Tage zuvor von der kommerziellen Party in der Capri-Bar erfahren und sich in einer Brand-Mail an den Zuständigen beim Olympiapark gewandt. Das habe aber ebenso wenig gebracht wie stetes Beschweren während des laufenden Konzerts. Mehrmals seien Becker und die Verantwortliche des städtischen Jugendkulturwerks, das den Klassikabend veranstaltet, und gar Besucher zu den lauten Nachbarn gegangen und hätten gefleht, die Disco-Musik leiser zu drehen. Bei Störungen in den Vorjahren habe man sich stets einigen können, sagt Becker, 2018 Jahr hatte man das Sinfonietta-Konzert gar auf die Lautsprecher der Bar übertragen. Diesmal aber lief dort eine Feier mit bezahltem Eintritt, die DJs beharrten darauf, dass man selbst 500 Gäste habe, die man nicht nach Hause schicken könne.

Dafür bringt sogar Zöbeley Verständnis auf, der seit 1998 Klassik im Theatron spielt. Er sieht den Schuldigen anderswo - bei der Olympiapark GmbH: "Den Musiksommer im Theatron gibt es seit 45 Jahren, das lässt sich die Stadt für ihre Bürger einiges kosten. Wie kann man da in 15 Metern Abstand eine Musikbar aufbauen? Wer zulässt, dass die aufdrehen, wie sie wollen, hat was falsch verstanden." Das sei so wie in der Strauß-Oper "Ariadne auf Naxos", wo ein neureicher Mäzen zwei Orchester eine Opera seria und eine Opera buffa gleichzeitig in seinem Palast spielen lasse.

Bei der Olympiapark GmbH steht man zum Party-Ponton im See: "Die Bar ist eine wesentliche Aufwertung unseres Sommerfestes und hat ihr eigenes Klientel." Und man brauche die Mieteinnahmen, um das "Impark"-Volksfest wirtschaftlich zu betreiben. Zudem hätten beide Veranstalter die Auflage, sich abzusprechen, "gerade bei beschallungssensiblen Veranstaltungen", diesmal habe es aber im Vorfeld keine Gespräche gegeben. Das bestätigt Damir Stabek, der Betreiber der Capri-Bar und beteuert, dass es ihm "sehr leid tut, dass es am Sonntag so gelaufen ist". Normalerweise liefen bei ihm Adriano Celentano und Paolo Conte, nur an zwei Abenden im Jahr werde es etwas lauter. Hätten die Theatron-Macher ihn eine Woche vorher informiert, hätte er die Party noch verschieben können. Judith Becker indes weist darauf hin, dass das Theatron-Programm bereits seit Monaten im Internet stehe und man schon auf die Capri-Bar eingehe, indem man freitags und samstags eher laute Bands gegen die Disco anspielen lasse. Sie bezweifelt, dass es möglich ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden bei derart unterschiedlichen Bedürfnissen. "Es wäre schön, wenn es Absprachen gäbe, aber die müssen vom Olympiapark geleitet werden." Abstimmungsbedarf besteht schon: Zum Sommer-Finale am Sonntag, 18. August, steht im Theatron ein Abend mit den Songwritern Evi Keglmaier, Angela Aux und Philip Bradatsch im Plan, bei der Capri-Bar das "Hip-Hop Island Open-Air" mit "den besten DJs der Stadt".

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