Süddeutsche Zeitung

Open-Air:Filmreif

Anne-Sophie Mutter auf dem Königsplatz

Von Dirk Wagner

Anne-Sophie Mutters stetige Bemühung, das Repertoire für die klassische Geige zu erweitern, stößt nicht immer auf Zustimmung in der Fachwelt. Obwohl niemand, der Ohren hat zu hören, ihr das schon von Karajan attestiertes Genie als Interpretin abzusprechen wagt, irritieren einige ihrer Exkursionen sehr wohl. Doch Mutter ist eine Überzeugungstäterin, die Irritationen nicht nur aushält, sondern auch zu schätzen weiß. Und so gerät ihr erstes Open-Air-Konzert in einer über 40-jährigen Bühnenkarriere zur Hommage an den bedeutendsten noch lebenden Soundtrack-Komponisten John Williams, der seine auf heroische Bläser ausgerichtete Filmmusik eigens für Mutters Geigenspiel neu arrangierte.

Wie sehr solche neuen Arrangements die Musik verändern, wird auf dem bestuhlten Königsplatz deutlich, wenn das Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von David Newman auch noch bekannte Themen aus Williams Soundtracks für "Star Wars", "Jurassic Park", "E.T." oder "Superman" in der ursprünglichen Version spielt. Als spannenden Kontrast zu Mutters Darbietungen, aber auch als notwendige Ergänzung, um die Bedeutung Williams für den Soundtrack aufzuzeigen. Weil Mutter aber nicht nur den üblichen Williams-Kanon bedient, sondern auch großartige und dennoch oft vernachlässigte Soundtracks berücksichtigt, lockt sie ihr Publikum live ebenso wie auf dem hier vorgestellten Album "Across The Stars" auch mal mit einer gruselig-schönen Musik aus Badhams 1979 produziertem "Dracula" auf ebenso romantische wie gefährliche Reisen durch die Nacht: "Night Journeys".

Dass diese Musik auf dem Königsplatz auch ohne die Bilder funktioniert, für die sie geschaffen wurde, bestätigt nicht nur das Genie ihres Komponisten sondern auch Mutters Gespür für eine neue Geigenmusik. Unterstützt wird sie dabei an diesem Abend von einem Dirigenten, der mit seiner Musik zu "Anastasia", "Ice Age", oder "Der Rosenkrieg" selbst zu den großen Filmkomponisten zählt. Dessen Vater Alfred Newman hat im Übrigen auch die Fanfare von 20th Century Fox komponiert, mit der auch dieser Abend stilecht startet. Wie viel Spaß Mutter selbst an ihrem neuen Projekt hat, zeigt sie, wenn sie etwa als Jedi verkleidet die Bühne betritt, um dort einen grün fluoreszierenden Geigenbogen mit dem entsprechenden Sounddesign gleich einem Leuchtschwert aus einem geschulterten Köcher zu ziehen. Doch auch jenseits solcher augenzwinkernden Scherze darf man dieses Konzert mit der Redewendung "ganz großes Kino" zusammenfassen.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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