Olli Dittrich als Schlagerstar:Barde im Bademantel

"Meine Helden waren Freddy Quinn und Udo Jürgens." Dittsche verlässt die Frittenbude, um die Schlagerbühne zu erobern.

Hans Hoff

Bis vor ein paar Tagen trug Olli Dittrich die Haare noch länger. Sie umspielten seinen Kragen und schwangen stets ein bisschen mit, wenn er den Kopf bewegte. Das gab ihm etwas Verwegenes, fast schon etwas Lässiges. So wie man es von jungen Popstars kennt.

Olli Dittrich als Schlagerstar: Auch schöne Lieder können perlen: Olli Dittrich kommt einmal mehr mit "irgendwelchem Zeug".

Auch schöne Lieder können perlen: Olli Dittrich kommt einmal mehr mit "irgendwelchem Zeug".

(Foto: Foto: ddp)

Inzwischen aber ist der Mähnenansatz wieder gekappt auf Imbissphilosophenlänge, denn an diesem Samstag ist Dittrich erneut als Dittsche im Einsatz und darf ein kleines Jubiläum feiern. Zum 100. Mal tritt der stets etwas sehr quer denkende Hamburger Bademantelträger in den Eppendorfer Grill, bestellt beim Hausherren Ingo wortlos Bier, öffnet die erste Flasche gleich und freut sich, dass es so prima perlt.

Dass die 100 vor einer Folge stehen könnte, hat kaum einer geglaubt, als das Format Dittsche vor rund vier Jahren im WDR-Fernsehen auftauchte. Zwischendrin stand es sogar sehr schlecht um den heimlichen Publikumsliebling. Er wurde lieblos vom Sonntags-Sendeplatz auf den Samstag verschoben und musste sich prompt mit dem Umstand abfinden, dass seine halbe Stunde während der Wiederholungen im Ersten und anderen Dritten mehr Zuschauer erreichte als bei der Live-Premiere.

Doch das Leiden scheint ein Ende zu haben, denn nach Angaben von Olli Dittrich soll Dittsche 2009 zurück auf den Sonntagabend wandern, dorthin, wo er nach Überzeugung aller Fans ohnehin gehört.

"Ich bin ein großer Schlagerfreund"

Ein schöner Erfolg für das Hamburger Multitalent, das dieser Tage aber noch an anderer Front kämpfen muss. Am 17. Oktober veröffentlicht er eine Solo-CD. "11 Richtige" heißt die und präsentiert Dittrich in einer Rolle, die anfangs eher verschreckt - als Schlagersänger.

"Ich bin ein großer Schlagerfreund. Meine Helden waren Freddy Quinn und Udo Jürgens", sagt er und verweist auf seine Vergangenheit. Mit Schlager hatte er schon früh viel zu tun, auch als er Anfang der achtziger Jahre mit wechselndem Erfolg als Plattenfirmenmanager arbeitete.

Als sich dieser Karriereweg 1985 als Sackgasse entpuppte, wollte Dittrich es erst recht musikalisch wissen. Mehr als 200 Songs schrieb er in vier Jahren, von denen allerdings nur wenige das Licht der Öffentlichkeit erblickten. Den Versuch, als Popsänger unter dem Pseudonym TIM zu begeistern, quittierte das Publikum 1989 mit grandioser Nichtbeachtung.

Das war nicht weiter schlimm, weil es dann Anfang der neunziger Jahre losging mit RTL Samstag Nacht, woraus das enorm erfolgreiche Duo "Die Doofen" hervorging. Später wurde Dittrich "Wetten, dass...?"-Außenreporter, mit Dittsche eine Fernsehinstitution und mit der Band Texas Lightning sogar Teilnehmer beim Eurovision Song Contest.

Lesen Sie auf Seite 2, wie Dittsche zum Schlagersänger wurde.

Barde im Bademantel

Nun erweist es sich als klug, dass er die damals geschriebenen Songs nicht weggeworfen hat. Dittrich verfügt halt über die Geduld, die richtige Zeit für eine Idee abzuwarten. Schon Dittsche war keine Sturzgeburt. Vielmehr erblickte die Figur bereits vor rund 18 Jahren das Licht einer kleinen Öffentlichkeit in Thomas Hermanns' damals noch nicht fernsehbekanntem Quatsch Comedy Club in Hamburg. Ähnlich ergeht es nun den frühen Dittrich-Songs.

Die kramte der 51-Jährige aus der Mottenkiste, nachdem er bei Aufnahmen mit Texas Lightning auf das Filmorchester Babelsberg stieß. "Da bin ich angefixt worden", sagt er. "Mein großer Traum war es immer, einmal mit einem großen Orchester zu arbeiten."

Mit viel eigenem Geld ist er danach in Vorleistung gegangen, hat seine alten Songs entstaubt, aktualisiert und mit frischen Texten versehen. Böse Zungen würden vielleicht behaupten, er habe sich von dem Elektronikmarkt, für den er unübersehbar Werbung macht, dieses Hobby finanzieren lassen. Für Dittrich ist das kein Thema, weil er beide Dinge mit jener Ernsthaftigkeit betreibt, für die er berühmt ist.

Dieser Mann macht nichts einfach nur so, dieser Mann weiß, wo er hin will. Dieser Mann weiß auch, dass er es den anderen manchmal schwermacht, ihm zu folgen. "Ich komme immer mit irgendwelchem Zeug, und die Leute sagen: Was soll das?", berichtet er und beeilt sich, die Motivationslage deutlich zu zeichnen: "Ich mache das, weil mir das ein Bedürfnis ist."

Wortkünstler in vielerlei Hinsicht

Nun liegt "11 Richtige" vor und beweist, dass Olli Dittrich sehr gerne in kleinen Filmen denkt. Jeder der elf Songs bietet eine abgeschlossene Geschichte. Oft geht es um die verlorengegangene Liebe, manchmal um kleine Missgeschicke, die sich zu größeren Unglücken ausweiten, und dann aber auch wieder einfach um die Liebe zu seinem Sohn, dem kleinen Mann mit dem großen Herzen.

"Ich bin sicher, dass die Platte ins Herz trifft", sagt Dittrich. "Jedes Stück ist ein Minikunstwerk. Es kommt von mir", schwärmt er und ordnet sich klar ein: "Ich bin ein deutscher Wortkünstler in vielerlei Hinsicht."

Fragt man ihn, ob diese Schlagerplatte nicht etwas altmodisch klingt, kontert der Sänger schnell. "Sie zitiert Klassiker", sagt er und umschreibt realistisch die begrenzten Möglichkeiten seiner Stimme. "Ich bin kein Vokalakrobat im Sinne von Stevie Wonder oder Paul Carrack, durchaus aber ein guter Interpret", erklärt er.

Natürlich findet sich auch der Fernsehmann Dittrich in den Liedern wieder. So basiert die Nummer "Was ist hier los", eine witzige Reihung von Katastrophen, auf einem Gedicht, das schon bei RTL Samstag Nacht Verwendung fand.

Lesen Sie auf Seite 3, warum Olli Dittrich kein typischer Strahleschlagerbarde ist.

Barde im Bademantel

Man lernt so einiges über den Menschen Olli Dittrich, wenn man diese Platte hört. Man spürt, dass sich die Traurigkeit seines Helden Dittsche nicht aus dem Nirgendwo speist. In seinen Liedern zeige sich viel Melancholie, befindet Roger Willemsen im Begleittext, und die Fotos im Beiheft unterstreichen diese Diagnose deutlich.

Kein strahlender Star ist da zu sehen, eher ein auf besondere Weise bewegter Mann. "Ich finde, das passt in die Zeit", sagt Dittrich: "Melancholie ist auch die Traurigkeit, etwas Schönes loszulassen."

Loslassen will Dittrich noch nicht von der Band Texas Lightning, bei der viele immer noch auf eine zweite Platte warten. Funkstille herrsche da derzeit, sagt er. Ein paar Auftritte werde es wohl geben, aber eine Platte? Dittrich schaut nicht belustigt, wenn er das sagt.

Propheten brauchen Zeit

Ein bisschen traurig ist auch die Geschichte der preisgekrönten ZDF-Reihe "Blind Date", die ihn immer wieder genial improvisierend mit der Kollegin Anke Engelke zusammenführte. Lange sah es aus, als komme da nichts mehr, als bewege sich im ZDF zu wenig. Doch Dittrichs Wille ist ungebrochen. "Wir wollen unbedingt noch eins machen."

Immerhin hat er sich der Dienste der Kollegin Engelke auch auf der Platte versichert. Ein witziges Duett singen die beiden, das hört man aber nur, wenn man danach sucht.

Vielleicht kann man das ohnehin als Symptom für den Mann werten. Er macht es nicht immer leicht, seine Qualitäten zu verstehen. Manche brauchen länger, manche packen es nie. Die Dittsche-Geschichte ist ihm da ein schönes Beispiel. "Das hätte vor vier Jahren keiner geglaubt, dass wir jetzt die 100. Ausgabe bringen", sagt er. Es braucht halt immer etwas Zeit, bis man den Propheten ernst nimmt.

Dittsche - Das wirklich wahre Leben, WDR, Samstag, 22.30 Uhr

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: