"Official Secrets" im Kino:Frau mit Gewissen

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In Gavin Hoods Film "Official Secrets" spielt Keira Knightley die englische Whistleblowerin Katharine Gun.

Von Martina Knoben

Wie wichtig für die Demokratie Whistleblower sind, Menschen, die ihre Gewissensentscheidungen über die Loyalität zu Geheimdiensten, Armee oder sonstigen Arbeitgebern stellen, zeigen gerade wieder einmal die Ukraine-Affäre und die Ermittlungen im Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump. Das Kino erzählt gern von diesen unbequemen Helden, die ihren Job, ihre Freiheit und manchmal sogar ihr Leben für ihre Überzeugungen riskieren. Michael Mann etwa schildert in "The Insider" (1999), wie sich der Chemiker Jeffrey Wigand mit der amerikanischen Tabakindustrie anlegte und sogar Morddrohungen bekam. Oliver Stone hat in einem Spielfilm und Laura Poitras in einer Doku Edward Snowdens Enthüllungen der NSA-Bespitzelung dargelegt.

Zu den weniger bekannten Whistleblowern gehört Katharine Gun, die als Übersetzerin beim britischen Nachrichtendienst GCHQ arbeitete und 2003, kurz vor der Invasion der USA in den Irak, illegale Machenschaften der NSA publik machte, mit deren Hilfe ein UN-Kriegsmandat forciert werden sollte. Ihre Geschichte liefert die Vorlage für Gavin Hoods "Official Secrets". Es ist ein im besten Sinne altmodischer, straighter Politthriller. Keira Knightley spielt die Whistleblowerin, sehr konzentriert und zurückgenommen, es ist eine der besten Rollen ihrer Karriere. Worte, nicht Waffen, bringen hier die Dinge in Bewegung. Katharine spricht fließend Mandarin; so kam sie zum Geheimdienst. Im Rahmen dieses Jobs erhält sie die Mail eines NSA-Mitarbeiters, der die britischen Kollegen um Amtshilfe bittet. Sie sollen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats ausspionieren. Business as usual für eine Geheimdienstmitarbeiterin? Katharine ist entsetzt über das Ziel der Bespitzelung: Mit verfänglichem Material soll die Zustimmung zur UN-Resolution für den Irak-Krieg erpresst werden.

Immer wieder montiert Gavin Hood originale TV-Statements in die Handlung: George W. Bush, wie er von den Massenvernichtungswaffen in Irak spricht und die Notwendigkeit eines Präventivschlages beschwört; Tony Blair als sein Sekundant. Heute weiß man, was davon Irrtum und Lüge war und kennt die Folgen des Krieges, die vielen Toten, und wie der Sturz Saddam Husseins die Region destabilisierte.

Katharine Gun wollte das verhindern. Keira Knightley spielt sie als aufrechte, zunächst aber recht durchschnittlich wirkende junge Frau. Katharine hat immer wieder Angst vor den Folgen ihrer Entscheidung, ist unsicher oder macht Fehler. Aber sie druckt die brisante Mail aus und leitet sie an eine Antikriegsaktivistin weiter, die sie einer Zeitung, dem Observer ,  zuspielt.

Die Story dürfe nicht wieder so lang werden, fordert der leitende Redakteur des Observer einmal von einem Reporter. 500 Wörter sollen genügen, um vom Irak-Krieg zu berichten, das hätte ja auch bei der Berichterstattung über den Jugoslawien-Krieg gereicht. "Official Secrets" ist ein Beleg dafür, dass das eben nicht reicht, es ganz im Gegenteil auf die Einzelheiten ankommt, ob es nun um Katharines "Verrat" geht, um journalistische Berichterstattung, juristische Strategien oder Politik.

Man sollte "Official Secrets" in der Originalfassung sehen, weil Sprache darin so eine entscheidende Rolle spielt. Großen Raum nimmt die Recherche des Observer ein, der Versuch zu überprüfen, ob die geleakte Mail echt ist. Dafür lassen die Journalisten unter anderem den Geheimdienstjargon darin analysieren. Um Sprache geht es auch, als der Artikel im Observer erscheint und amerikanische Blogger vermeintlich nachweisen, dass die geleakte Mail ein Fake war, weil englische statt amerikanische Formulierungen verwendet werden (tatsächlich hatte eine Mitarbeiterin den Artikel mit Hilfe der Rechtschreibhilfe "korrigiert").

Die Protagonistin gerät in einen Zwangsapparat fast kafkaesken Zuschnitts

So scheinbar nüchtern Gavin Hood, der 2006 für "Tsotsi" den Oscar für den besten fremdsprachigen Film bekam, den Fall nacherzählt, ist "Official Secrets" doch spannend. Die Bilder sind beklemmend düster, eine Atmosphäre permanenter Bedrohung liegt über allem. Katharines Arbeitsstelle beim Geheimdienst etwa ist eine Hightech-Abhörkatakombe, fensterlos, mit Zwischenwänden oder Jalousien, die wie Gitterstäbe wirken. Und eine Art Haft ist diese Arbeit ja auch: Der "Official Secrets Act", das Gesetz zum Schutz von Staatsgeheimnissen, das Katharine mit der Veröffentlichung der vertraulichen E-Mail bricht, erscheint als Zwangsapparat fast kafkaesken Zuschnitts. Als sie angeklagt wird, darf sie sich zwar einen Anwalt nehmen, mit ihm jedoch nicht über die Einzelheiten ihrer Tat reden. Jede Information an einen Außenstehenden wäre ein weiterer Bruch des Official Secrets Act.

An diesem Punkt des Films kommt Ralph Fiennes als Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson ins Spiel, der Katharine zu einer Verteidigungsstrategie überredet, die wie Harakiri anmutet: Er will beweisen, dass der Krieg illegal war, Katharines Handeln deshalb notwendig. Es ist allein Fiennes Star-Präsenz, die diesen irren Plan zumindest ein bisschen erfolgversprechend wirken lässt. Aus der unübersichtlichen Faktenlage zu Beginn des Films schälen sich dann doch recht konventionelle Helden-Porträts heraus.

Idealerweise sieht man den Film im Original, aber mit deutschen Untertiteln. Die Winkelzüge der Geheimdienste, der Juristen und Politiker sind nicht leicht zu verstehen und werden von Gavin Hood auch nur nach und nach enthüllt. Googeln sollte man den Fall Katharine Gun vor dem Kinobesuch allerdings nicht. Im Film wie im Leben endet er mit einer wirklich überraschenden Pointe.

Official Secrets , UK 2019 - Regie: Gavin Hood. Buch: Gregory Bernstein, Sara Bernstein, G. Hood. Kamera: Florian Hoffmeister. Schnitt: Megan Gill. Mit: Keira Knightley, Matt Smith, Adam Bakri, Matthew Goode, Ralph Fiennes, Rhys Ifans. Verleih: Entertainment One, 112 Minuten.

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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