Offener Brief:Künstler fordern Anerkennung des Völkermords an den Armeniern

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Mehrere Kulturschaffende, darunter die Regisseure Fatih Akin und Christian Petzold, wenden sich in einem offenen Brief an die Kanzlerin.

Mehrere Künstler, darunter Regisseur Fatih Akin, fordern Bundeskanzlerin Merkel und den Bundestag auf, den Völkermord an den Armeniern offiziell anzuerkennen.

In einem offenen Brief verlangen sie, "am 2. Juni 2016 klar Stellung zu beziehen und das Verbrechen an dem armenischen Volk als das zu bezeichnen, was es ist: ein Völkermord." Es gehe um mehr als eine historische Einordnung, um mehr als eine Entschuldigung gegenüber den Nachkommen der Opfer, heißt es weiter. "Stellen Sie sich vor, Sie lebten in Deutschland und der Holocaust würde geleugnet - wäre das nicht die Fortsetzung der eigentlichen Tat?"

Kritik an türkisch-armenischen Projekt "Aghet"

Initiiert haben den Brief der Intendant der Dresdner Sinfoniker, Markus Rindt, und der türkisch-armenische Komponist Marc Sinan. Vor Kurzem erst hatte Ankara bei der EU-Kommission Beschwerde gegen das Konzertprojekt "Aghet" der Dresdner Sinfoniker eingelegt. Das Stück thematisiert das türkische Massaker an den Armeniern. Intendant Markus Rindt beklagte damals einen Angriff auf die Meinungsfreiheit, SZ-Autor Andrian Kreye resümierte: "Kultur darf nicht zum Kollateralschaden zynischer Geopolitik werden."

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Die Türkei versucht wieder zu verhindern, dass der Völkermord an den Armeniern thematisiert wird. Damit greift sie die Werte des Westens an - und die deutsche Erinnerungskultur.

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In dem offenen Brief haben Rindt und Sinan nun prominente Unterstützer gefunden. Neben Akin haben auch der Autor Doğan Akhanlı, Amelie Deuflhard, Intendantin von Kampnagel Hamburg, sowie Regisseur Christian Petzold unterzeichnet. Sie kritisieren den Bundestag dafür, über den Völkermord zu schweigen und konstatieren, dass eine Partnerschaft mit der Türkei nicht an dem zerbreche, "was ausgesprochen wird, sondern an dem, was unausgesprochen bleibt". Abschließend schreiben die Künstler, es gehe "in letzter Konsequenz um die Beendigung der eigentlichen Tat, um eine friedliche Zukunft für eine freie, vielfältige und angstfreie Türkei zu ermöglichen".

Entscheidung im Bundestag vertagt

Der Völkermord an den Armeniern jährt sich in diesem Jahr zum 101. Mal. Bereits im April wollte der Bundestag eine Resolution dazu verabschieden, vertagte die Entscheidung dann aber aufgrund der politischen Unstimmigkeiten mit der Türkei. Nun soll am 2. Juni über einen neuen, fraktionsübergreifenden Entwurf abgestimmt werden. Bundespräsident Lammert hatte das Massaker an den Armeniern bereits im April vergangenen Jahres als Genozid bezeichnet.

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Das Konzertprojekt "Aghet", das wörtlich Katastrophe bedeutet, ist trotz allem nicht in Gefahr. Zwar nahm die EU den Hinweis auf das Projekt von ihrer Homepage. Aber Rindt und Sinan touren mit ihrem Orchester weiterhin und wollen auch in Istanbul gastieren.

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