Obama-Karikatur:Wer ist der Böseste im ganzen Land?

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Was darf Satire? Amerika streitet über das Cover des renommierten New Yorker - es zeigt den möglichen neuen Präsidenten als Muslim.

Reymer Klüver

Ist das nun lustig? Oder muss einem das Lachen im Halse steckenbleiben? Nichts scheint das politische Amerika im Moment mehr zu beschäftigen als eine Witzzeichnung auf einem Magazin-Cover.

Trautes Heim? Obama und seine Frau als islamische Extremisten. Über dem Kamin: das Konterfei von Osama bin Laden. (Foto: Foto: AP)

Zugegeben, es ist nicht irgendeine Gazette, sondern das Titelblatt des New Yorker, einer journalistischen Institution, bekannt für brillant recherchierte und geschriebene Artikel und ätzende Satirezeichnungen. Und das Heft nimmt niemanden anderen aufs Korn als den Liebling der amerikanischen Medien und möglichen neuen Präsidenten des Landes, Barack Obama.

Die Empörung jedenfalls ist kolossal über die Zeichnung, die Obama als Muslim karikiert. "Die meisten Leser werden es als geschmacklos und beleidigend sehen, dem stimmen wir zu", sagte ein Sprecher Obamas.

Sein republikanischer Konkurrent John McCain beeilte sich, ebenfalls Abscheu und Empörung zu zeigen. Das Titelblatt sei "vollkommen unangemessen". Und in den Talkshows der Kabelsender fand sich kaum einer, der ein gutes Haar ließ am New Yorker.

Eigentlich Ziel erreicht, sollte man meinen. Doch bei den Machern des Magazins kamen ob des Aufruhrs offenbar Zweifel auf. Und so erklärten sie, was Satire ist. Man wolle "den Vorurteilen, dem Hass und dem Absurden den Spiegel vorhalten", schrieb der New Yorker. "Satire ist manchmal anstößig und beleidigend."

Die brennende US-Flagge im Kamin des Oval Office, Barack im islamischen Männergewand, seine Frau Michelle mit Afro-Look und AK-47, der revolutionäre Faust-Gruß, das Osama-bin-Laden-Porträt an der Wand, alles spiele an auf Attacken auf Obama oder auf Kontroversen um ihn.

Auf dem Titel ist in der Tat das Wichtigste versammelt, was es an Schmierereien und Rufmord in den vergangenen Wochen und Monaten so gab. Also die alberne Kontroverse, ob Obama patriotisch genug fürs Weiße Haus ist, weil er zum Beispiel lange Zeit nie ein Sternenbanner als Anstecknadel am Revers getragen hat. Inzwischen tut er das.

Dann die beliebte Verschwörungstheorie, dass Obama in Wahrheit ein Muslim sei, schlimmer: ein Islamist, der - Perfidie aller Perfidien - Amerika von ganz oben unterwandern will. Tatsache ist, dass Obamas Mittelname Hussein lautet, nach seinem Vater, der ein bekennender Atheist war, so wie Obama praktizierender Christ ist.

Und dann ist da seine mitunter forsch auftretende Frau - was Amerikaner von ihren First-Lady-Kandidatinnen nicht gewöhnt sind. Sie erinnert ihren Mann öffentlich daran, dass Hausarbeit nicht allein Frauensache ist, oder ihre Landsleute daran, dass Lebenschancen in den USA noch immer auch von der Hautfarbe abhängen.

Politisch brisant ist das Ganze, weil die rumorenden Vorurteile Obama tatsächlich zu schaffen machen, vor allem bei Wählern, die er ohnehin nur schwer erreicht: weißen Arbeitern. Deshalb wohl wollte kaum jemand lauthals lachen über die Zeichnung, die all das zusammenfasst.

Warum auch soll es den New Yorker Magazinmachern anders ergehen als Jon Stewart, dem frechen Late-Night-Talker? Neulich hatte er ein Witzchen gerissen über Obamas jüngste politische Kurskorrekturen. Das Publikum zeigte keinerlei Reaktion. "Wissen Sie", sagte er da, "Sie dürfen ruhig lachen über Obama."

© SZ vom 16.07.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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