Nürnberg:Liebesspiel mit Lug und Betrug

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Falsche Gefühle: (v.li.) Amira Elmadfa (Dorabella), Julia Grüter (Fiordiligi), Denis Milo (Guglielmo), Wonyong Kang (Don Alfonso), Martin Platz (Ferrando). (Foto: Ludwig Olah)

In Mozarts Oper "Così fan tutte" überzeugt das grandiose Ensemble

Von Klaus Kalchschmid, Nürnberg

Ferrando muss Guglielmo in Mozarts "Così fan tutte" am Staatstheater Nürnberg gar nicht fragen, was passiert ist: Wenn der, nur mit Shorts bekleidet, die Klamotten in der Hand, mit glänzendem, nacktem Oberkörper dasteht, dann weiß Ferrando, dass seine Verlobte Dorabella gerade mit seinem besten Freund ein Stelldichein hatte. Als er später aus Verzweiflung über die Untreue seiner Verlobten Fiordiligi, die Partnerin Guglielmos, unter Androhung eines Suizids verführt, beobachtet ihn der versteckte Freund. Vergeblich streckt Guglielmo sehnsüchtig die Hand nach ihr aus, bevor er ohnmächtig auf den Boden knallt. Aber wenig später rasten die beiden jungen Männer geradezu aus über das Verhalten ihrer Frauen, auch wenn sie es selbst waren, die dieses durch Partnertausch über Kreuz willentlich herbeigeführt haben.

In der "Schule der Liebenden", wie der Untertitel lautet, wettet der zynische sich selbst Philosoph nennende Don Alfonso mit wesentlich jüngeren Freunden, dass alle Frauen untreu seien; daher auch der Titel, der ausdrücklich "So machen es alle Frauen" heißt. Das ist im ersten Akt ein herrliches Spiel mit Verkleidung und Verführung, wenn man sich denn traut, es so prall zu inszenieren wie Intendant Jens-Daniel Herzog, der aus langweiligen Anzugträgern flippige Jungs von der Straße macht. Als Breakdancer im Sakko über bloßem Oberkörper mit schwarzer Mütze bräuchte Denis Milo als Guglielmo für alles einen Waffenschein: für den Body, seinen Charme, die umwerfende Bühnenpräsenz und nicht zuletzt für diesen verführerischen Bariton. Als nerdiger Schlaks, versteckt unter Baseballkappe und dickem Kapuzenpulli macht Martin Platz eine kaum minder gute, flapsige Figur und singt im Kontrast mit kühler tenoraler Eleganz.

Schon mehr ähneln sich, auch stimmlich, die beiden Frauen. Die Schwestern leben beschützt in einer Art goldener Käfig, der sich immer wieder von der Hinterbühne in einen weißen leeren Raum schiebt (Bühne und Kostüme: Mathis Neidhardt). Sie verlassen ihn spät, erst wenn aus dem Spiel - ihren schönen, heiteren Blumenkleidern zum Trotz - allmählich Ernst wird. Amira Elmadfa ist eine ebenso leidenschaftliche wie quirlige Dorabella mit einem reich timbrierten, beweglichen Mezzo. Julia Grüter lässt mit wunderbar warmem, mühelos geführtem Sopran vergessen, wie schwer und virtuos ihre Partie ist. Neben Wonyong Kangs jovialem Don Alfonso ist Andromahi Raptis als Kammerzofe Despina kaum zu bremsen und liefert eine herrlich musikalische Show ab, singt mal über Kopf oder schlägt am Ende einer Arie ein perfektes Rad. Wenn am Ende die ursprünglichen Paare im leeren Raum sich wieder vereinen, ist nichts mehr wie zuvor. Wütend pfeffern sie die Blumensträuße, welche sie gerade wie zum Dank für eine perfekte Darbietung bekommen haben, auf den Boden. Nur Alfonso behält seinen und wirft ihn lässig über die Schulter.

Die Staatsphilharmonie Nürnberg schlägt unter Lutz de Veer einen so klaren, ungemein schönen, plastisch sprechenden Mozart-Ton an, dass dessen geniale Musik im Wissen um die widerstrebenden Gefühle der Menschen in ihren vielen Facetten zwischen Ernst und Parodie beredt ausgelotet wird.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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