Jugendliteratur:Heil Hotler

Jugendlicher Widerstand im Dritten Reich - mit Swingmusik.

Von Fritz Göttler

Bel Ami ist der Mann der Stunde, für die kleine Gruppe Jungen und Mädchen in Hamburg, am Ende des Jahres 1939, eben hat mit dem Einmarsch der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg begonnen. Statt zackigem Marschieren also Bel Ami, im gleichnamigen Film von Willi Forst, ein Frauen-Held, ein Mann der Leichtlebigkeit: "Bist kein Held, nur ein Mann, der gefällt ..." Kaum zu glauben, dass ein Film mit dieser Devise im Dritten Reich produziert werden durfte. Auch die Kids im Buch "Swing High" von Cornelia Franz widersetzen sich der Aufrüstung, der Indoktrination, der Gleichschaltung, dem Terror. Sie lieben den aus Amerika importierten Swing, leisten Widerstand durch heißes Tanzen: Swing Heil! Heil Hotler!

Sie sind, der wachsenden Uniformierung der Gesellschaft zum Trotz, elegant gekleidet, fast dandyhaft, Trenchcoat, Seidenschal, Hut mit breiter Krempe. "Swing war in den Augen der Nazispießer Verrat am deutschen Volke. Hottentottenmusik, die direkt in den sittlichen Abgrund führte. Alles, was nicht nach Gleichschritt klang, roch nach Aufruhr. Seit Juli war Swingtanzen offiziell verboten ..."

Es ist ein gewagter, lustvoller, gutbürgerlicher Widerstand, ein Vorläufer des zivilen Ungehorsams später in der Bundesrepublik.

Mit dem Koffergrammofon geht es ins Freie, im Sommer an die Alster, auf die Eisbahn im Winter. Schellackplatten mit Hits von Artie Shaw oder Teddy Stauffer werden gespielt, von einem Besuch in London hat Henri, einer der Kids, von Louis Armstrong "The Flat Foot Floogie" mitgebracht. Das laut zu spielen ist pure Provokation, es gibt Denunziation und Razzien, durch HJ und Gestapo. Ein jüdisches Geschwisterpaar wird schikaniert, geht mit den Eltern nach Brüssel. Man erlebt Verdunklung, Nächte im kalten Luftschutzkeller.

Heiß und schweißtreibend ist es aber, wenn auf geheimen Partys in einer Villa in Eimsbüttel, in einer Kirche gar losgehottet wird. Es gibt Küsse für Henri, mit der Zungenspitze, natürlich hat der Swing mit sexueller Erregung und Rausch zu tun. "Er vergaß alles, was er vergessen wollte. Mutters Lamentieren, Großvaters Schwermütigkeit, die Hetzreden und das Rumkommandiertwerden in der HJ ... Beschwipst und glücklich tanzte er sich die Seele aus dem Leib. ,Everything's free and easy... doing the Lambeth walk.'"

Es ist ein gewagter, lustvoller, gutbürgerlicher Widerstand, ein Vorläufer des zivilen Ungehorsams später in der Bundesrepublik. Eine naive, sehr cleane Begeisterung, die durch das ganze Buch hindurchschwappt - dass der Floogie durchaus obszöne Anklänge hat, wird ignoriert. Und die Gefahr bleibt omnipräsent, auch Henri landet schließlich im Stadthaus, dem Gestapo-Hauptquartier von Hamburg. "Vielleicht hätt' mir klar sein müssen, dass alles kaputt geht. Vielleicht bestraft uns Gott, weil wir Spaß haben wollen, obwohl Krieg ist."

Cornelia Franz. Swing high. Tanzen gegen den Sturm. Gerstenberg 2022. 219 Seiten, 16 Euro.

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