Brand in Kathedrale:Das sind die Schätze von Notre-Dame

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Vorbild für Kathedralenfenster in ganz Europa: die Rosette der Südfassade von Notre Dame.

(Foto: Patrick Kovarik/AFP)

Das Feuer von Montagabend bedrohte auch wertvolle Kunstschätze und Reliquien, die Frankreichs berühmteste Kathedrale beherbergt. Ein Überblick.

Von Carolin Gasteiger und Quentin Lichtblau

Der Brand ist gelöscht, über die Zustände im Inneren der Kathedrale herrscht aber weiterhin Unsicherheit. Notre Dame beherbergt eine Vielzahl von Gemälden, Skulpturen, Reliquien und weitere historische Gegenstände, einige davon konnten die Rettungskräfte bereits aus der Kathedrale schaffen. Der stellvertretende Pariser Bürgermeister Emmanuel Grégoire zeigte sich bereits erleichtert, dass viele Kulturschätze den Brand überstanden hatten. Welche genau Notre Dame beherbergt hat und was über deren Zustand bekannt ist:

Rosettenfenster

Sie reflektieren das Licht in tiefem Blau und Rot und sind in der Süd-, West- und Nordfassade verbaut. An den bunten Rosettenfenstern aus dem 13. Jahrhundert orientierten sich bald auch andere Kathedralen in ganz Europa. Allein die Rosette im Süden hat einen Durchmesser von knapp 13 Metern. Immer wieder wurde das Glas ausgetauscht - unter anderem wirkte das Licht im 18. Jahrhundert zu dunkel. Deshalb setzte man statt der bunten weiße Glasfenster ein. Wie es um die berühmten Rosettenfenster nach dem Brand von Montagabend steht, ist noch nicht bekannt.

Orgel

Die große Orgel gehört zu den kostbarsten der Welt. Ihre ältesten Teile stammen aus dem 15. Jahrhundert. Dann baute François Thierry sie 1730 neu. Im 19. Jahrhundert wurde sie von dem berühmten Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll restauriert und umfasst heute fünf Manuale, mehr als 100 Register und knapp 8000 Pfeifen. Während der Französischen Revolution wäre sie fast eingeschmolzen worden, der damalige Organist konnte dies allerdings verhindern, indem er Revolutionslieder wie die Marseillaise und "Ça ira" spielte - so wurden nur Lilien auf der Holzwand der Orgel mit einer Axt zerstört. Auch bekannte französische Komponisten wie Olivier Messiaen nutzten die Orgel in Notre Dame regelmäßig. In der Kathedrale stehen noch zwei weitere Orgeln, jedoch bedeutend kleiner. Die weltberühmte Orgel blieb durch das Feuer unbeschadet, wie der stellvertretende Bürgermeister Grégoire mitteilte. Allerdings ist sie von Schutt und Löschwasser beschädigt.

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Knapp 8000 Pfeifen hat die große Orgel in Notre Dame.

(Foto: AFP)

Reliquien

Die Schatzkammer von Notre Dame beherbergt zahlreiche Reliquien, darunter die Heilige Krone, eine Dornenkrone, die Jesus am Tag seiner Kreuzigung getragen haben soll - eine der wichtigsten christlichen Reliquien überhaupt. Sie konnte gerettet werden und befindet sich laut Frankreichs Kulturminister Franck Riester mittlerweile im Pariser Rathaus. Neben der Krone lagerten in der Schatzkammer auch ein Stück Holz und ein Nagel, die beide von Jesus' Kreuzigung stammen sollen.

Brand in Kathedrale: König Ludwig IX. brachte die Dornenkrone 1239 nach Frankreich.

König Ludwig IX. brachte die Dornenkrone 1239 nach Frankreich.

(Foto: AP)

Gemälde

Zu den wichtigsten Gemälden in der Kathedrale zählen die "Die Heimsuchung Mariä" (1716) von Jean Jouvenet und "Thomas von Aquin am Brunnen der Weisheit" (1648) von Antoine Nicolas. Außerdem besitzt Notre Dame mehr als 50 sogenannte Mays: Vom 17. bis ins frühe 18. Jahrhundert spendete die Pariser Goldschmied-Gilde der Kathedrale jährlich zum 1. Mai ein großformatiges Gemälde, zuletzt waren 13 davon in den Seitenkapellen der Kathedrale ausgestellt. Bereits einmal hat Notre Dame einen Großteil seiner Gemälde verloren: Als sozialrevolutionäre Gruppen die Kathedrale während der Französischen Revolution zu einem "Tempel der Vernunft" umwandeln wollten, zerstörten sie zahlreiche Kunstwerke und große Teile der Inneneinrichtung. Beim Brand am Montag konnten die Rettungskräfte zwar viele Gemälde in Sicherheit bringen - um welche es sich genau handelt, ist aber bisher unbekannt. Manche sollen Wasserschäden haben.

Statuen

Vor einigen Tagen bereits wurden 16 Kupferstatuen vom Dach der Kathedrale entfernt, um sie in Südfrankreich restaurieren zu lassen. Im Inneren von Notre Dame gibt es aber weitere wertvolle Statuen. Die wichtigste, die Namensgeberin der Kathedrale, steht im Altarraum. "Notre Dame de Paris" hat den Brand am Montagabend überstanden. Ihr Sockel ist meist mit weißen Blumen geschmückt. Die 1,8 Meter hohe Statue aus dem frühen 14. Jahrhundert gilt als eine der dekorativsten im Katholizismus. Insgesamt gibt es in der Kathedrale mehr als 37 Darstellungen der Jungfrau Maria. Dazu kommen moderne Statuen: Im südlichen Querschiff findet sich die 1934 von Louis Castex geschaffene Heilige Therese von Lisieux. Sie hält sich ein Kreuz vor die Brust, in der anderen Hand einen Strauß Rosen. In der Kapelle des Heiligen Ferdinand steht eine Skulptur des heiligen Antonius von Padua, die erst 2013 realisiert worden ist.

Glocken

Die Glocken der Kathedrale sind nicht zuletzt aufgrund Victor Hugos Buch "Der Glöckner von Notre Dame" weltbekannt. "Emmanuel", die größte der Glocken, wiegt mehr als 23 Tonnen, ihr Läuten verkündete 1944 das Ende der deutschen Besatzung. In der Nacht auf Dienstag hatte die Feuerwehr zwischenzeitlich befürchtet, dass die Gesamtstruktur und damit auch die Glockentürme einstürzen könnten. Vom Brand blieben sie aber offenbar weitestgehend verschont.

Brand in Kathedrale: Eines der bekanntesten Merkmale von Notre Dame sind die steinernen Wasserspeier.

Eines der bekanntesten Merkmale von Notre Dame sind die steinernen Wasserspeier.

(Foto: AFP)

Wasserspeier

Ebenfalls von Victor Hugo beeinflusst sind die berühmten Wasserspeier, auch Grotesken genannt, die an der Außenseite der Kathedralen angebracht sind. Die Originale wurden im 18. Jahrhundert entfernt, als sie witterungsbedingt zu bröckeln anfingen und teilweise auf das Pflaster herunterfielen. Die Figuren gehen auf romanische Kunst zurück und sollen bösen Zauber abwenden. Die berühmteste auf dem Dach der Kathedrale, "Stryge" genannt, sitzt auf dem Dach der Kathedrale und blickt mit ihrem Gesicht in den Händen auf die Stadt.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version hieß es, die Orgel stamme aus dem 13. Jahrhundert. Das ist falsch. Wir bitten dies zu entschuldigen und haben den Fehler korrigiert.

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