Nordafrika:Wegzoll der Macht

buch10

Yasmina Khadra: Worauf die Affen warten. Aus dem Französischen von Regine Keil-Sagawe. Osburg Verlag, Hamburg 2015. 344 Seiten, 20 Euro.

Der algerische Autor Yasmina Khadra kandidierte im vergangenen Jahr gegen den amtierenden Präsidenten Bouteflika. Sein Polit-Thriller "Worauf die Affen warten" ist eine Attacke auf die Strippenzieher der Macht.

Von Alex Rühle

Gibt es ja auch nicht alle Tage zu lesen: Einen Krimi, den ein Präsidentschaftskandidat verfasst hat. Der algerische Autor Yasmina Khadra trat im vergangenen Jahr gegen den amtierenden Präsidenten Abdelaziz Bouteflika an. Im Figaro erklärte er damals sein Wahlprogramm recht bündig: "Mein Ziel ist einfach: Alles ändern in Algerien. Mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit werde ich nicht gewählt, aber ich gebe die Hoffnung trotzdem nicht auf."

Besonders pikant wird die Geschichte dadurch, dass Bouteflika persönlich Khadra 2007 zum Leiter des algerischen Kulturinstituts in Paris ernannt hat. Das hielt Khadra weder davon ab, den Präsidenten im Wahlkampf immer wieder zu attackieren: Bouteflika lähme das Land, er und seine Entourage seien längst ein autistischer Haufen, der die Bürger all ihrer Rechte beraubt und die Korruption zur Staatsreligion erklärt habe. Als Bouteflika dann im April 2014 zum vierten Mal wiedergewählt wurde, bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, Yasmina Khadra von seinem Posten abzuberufen. Einen Monat später erschien dessen neuer Krimi "Worauf die Affen warten", der anfängt wie ein Noir, aber mehr und mehr zum Politthriller wird, führt er doch zu den Strippenziehern der Macht, über die es heißt: "Ihre Natur ist die Lüge, die Betrügerei ihr Prinzip, anderen zu schaden ihre Berufung. Und dieser Roman ihre Geschichte."

Algier, die "weiße Stadt", versinkt in diesem Buch im Morast des Verbrechens

Yasmina Khadra kehrt mit diesem Buch gewissermaßen zu seinen Anfängern zurück: Berühmt wurde er in den Neunzigerjahren mit seiner Algier-Trilogie, drei Krimis um Brahim Llob, einen unbestechlichen Kommissar, der den Leser bei seinen Ermittlungen elegant durch alle gesellschaftlichen Schichten Algeriens führte. Die Krimis dienten Khadra aber schon damals als Vehikel für seine scharfe Gesellschaftskritik, ja sie waren politisch so brisant, dass ihr Autor, der im wahren Leben Mohammed Moulessehoul heißt und lange Jahre Offizier war, sie nur unter Pseudonym herausbringen konnte. Er wählte die beiden Vornamen seiner Frau und wurde als Yasmina Khadra berühmt.

Diesmal leitet eine Frau die Ermittlungen, Nora Bilal, eine schlagfertige Kommissarin, die für manchen ihrer männlichen Untergebenen schon durch ihre pure Existenz eine Provokation darstellt, schließlich, so der Erzähler, ist "die Macho-Mentalität hierzulande so festgezurrt wie eine Zwangsjacke". Dass Nora auch noch lesbisch ist, macht das Leben für sie nicht leichter. Nora also wird in einen der tristen Vororte von Algier gerufen: Im Straßengraben wurde die Leiche einer jungen Frau gefunden, kunstvoll geschminkt, feierlich gekleidet. Eine Brust fehlt, sie wurde wohl abgebissen. Anfangs sieht alles nach einem obskuren Ritualmord aus, aber Nora und ihre beiden Assistenten merken schnell, dass sie hier etwas viel Größerem auf der Spur sind.

Und so lernt man die sogenannten Stützen der algerischen Gesellschaft kennen, einen abgehalfterten Parlamentarier, einen Fabrikanten, einen Pressemogul, der so viele Hetzkampagnen lanciert, Karrieren zerstört und Rufmorde begangen hat, dass er seinen Hauptwohnsitz mittlerweile nach Spanien verlegt hat. Sie alle aber sind nur Marionetten des großen Saad Hamerlaine, eines Rboba. So nennt man in Algerien jene, die im Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich ihren eigenen heroischen Mythos erschaffen haben. Seither haben sie alle Kraft darauf verwendet, den oligarchischen Filz immer noch undurchdringlicher zu machen und ihr Land in ein düstere Labyrinth zu verwandeln. Und an jeder Weggabelung steht einer der Rbobas und verlangt neuen Wegezoll. Der echsenartige Saad Hamerlaine ist so mächtig, dass man nicht an ihn rankommt, sogar die Justiz tanzt nach seiner Pfeife. Bleibt nur: die Selbstjustiz.

Nun wird Selbstjustiz in amerikanischen Filmen meist so inszeniert: Das System, vertreten durch einen dämlichen Cop, hat dermaßen abgewirtschaftet, dass dem Helden keine andere Wahl bleibt, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Gespielt werden diese Einzelgänger von harten Männern wie Bruce Willis oder Clint Eastwood, die als unangefochtene Hauptfigur pfeilgerade durch den Plot wandeln. Zine hingegen ist nur ein kleiner Polizist. Er ist impotent, seit er vor ein paar Jahren mit ein paar Kollegen in einen Hinterhalt geraten ist. Und er ist bis kurz vor Schluss nur eine Nebenfigur, der loyale, ehrliche Assistent von Nora. Dass ausgerechnet er, der immer noch an Recht und Ordnung glaubte, am Ende nur durch einen extrem grausamen Mord die Gerechtigkeit wiederherstellen kann, ist kein gutes Zeichen für Algerien. Dass man Zine aber von Herzen wünscht, er möge seine Tat auch wirklich vollenden, spricht für die erzählerische Suggestivkraft Yasmina Khadras.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: