Semperoper:Auf nach vorn

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Nora Schmid, gebürtige Schweizerin, übernimmt zu Beginn der Spielzeit 2024/2025 die Leitung der Sächsischen Staatsoper Dresden. (Foto: Robert Michael/picture alliance/dpa)

Nora Schmid wird neue Intendantin der Dresdner Semperoper. Sie soll für das "Übermorgen der Oper" sorgen - ohne die Tradition zu verraten.

Von Wolfgang Schreiber

Die Dresdner Semperoper, eine Legende des Musiktheaters, zerstört in der Bombennacht 1945, war der DDR-Kulturpolitik die stolze, sündteure und pingelig der Neorenaissance verhaftete Rekonstruktion wert. In Anwesenheit der kompletten Partei- und Staatsmacht wurde das Haus am 13. Februar 1985 wiedereröffnet - erinnerlich in "glanzvoll" eisiger Atmosphäre. Seitdem hat die Semperoper luxuriösen Schimmer und manches Qualitätsproblem angesammelt. So den Ehrgeiz, die anstürmenden Touristen mit Edeldarbietungen des Standardrepertoires, effektvoll selbstgenügsam, zufriedenzustellen, von der "Zauberflöte" bis "Tosca".

Als die Dramaturgin der Bayerischen Staatsoper, Ulrike Hessler, 2012 Intendantin der Semperoper wurde, gab es Anzeichen eines substanziellen Qualitätssprungs. Sie machte die Schweizerin Nora Schmid zu ihrer Chefdramaturgin. Ulrike Hessler verstarb allzu früh, Nora Schmid, 1978 in Bern geboren, übernahm später die Opernintendanz in Graz, bis heute mit mehr als nur guten Resultaten. Sie machte die gleichaltrige ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv zu ihrer glamourösen Musikdirektorin. Diese wird - zum ersten Mal steht eine Frau am Bayreuther Dirigentenpult - im Sommer die Festspielpremiere von Wagners "Der fliegende Holländer" dirigieren.

Die Überraschung jetzt: Nora Schmid wurde von der Kulturministerin Barbara Klepsch zur neuen Intendantin der Semperoper bestimmt. Der Vertrag des bisherigen Intendanten, des tüchtigen Schweizers Peter Theiler, wird nicht über 2024 hinaus verlängert. Das Gleiche widerfährt, wie bereits berichtet, dem weltweit prominenten Musikdirektor der Dresdner Staatskapelle, also des Opernorchesters, Christian Thielemann. Dieser muss bald auch die künstlerische Leitung der Salzburger Osterfestspiele abgeben, und seine führende Position am Dirigentenpult - im "mystischen" Graben - der Bayreuther Festspiele ist für die Zukunft durchaus noch offen. Intendant Theiler hat seine Abberufung aus Dresden mit erstaunlicher Freundlichkeit quittiert, er könne die Entscheidung des Ministeriums, "die Weichen für die Semperoper unter dem Motto Zukunftsperspektive 'Semper 2030' neu stellen zu wollen", verstehen.

Entscheidung für Neuausrichtung

Für die Staatsoper, wie überhaupt für die Kulturpolitik der sächsischen Landeshauptstadt, kommt die Entscheidung einer fundamentalen Neuausrichtung gleich. Die Erklärung der Ministerin lautet: "Wir sehen dabei das, was heute gut ist, und denken trotzdem an das Übermorgen der Oper." Eine Oper der Zukunft, etwa in zehn Jahren, "wird eine andere als die Oper von heute sein: Sie wird teilweise neue Wege zwischen tradierten Opern- und Konzertaufführungen und zeitgemäßer Interpretation von Musiktheater und konzertanter Kunst gehen müssen." Das traut die Ministerin dem bisherigen Intendanten und Musikdirektor offenbar nicht mehr zu.

Die neue Intendantin hat bereits eine Karriere mit vielen Stationen absolviert. Sie studierte in Bern und in Rom Musikwissenschaft, auch Betriebswirtschaft. Engagierte sich bei der Basel Sinfonietta im Orchestermanagement, wirkte an der Berliner Staatsoper Unter den Linden im Marketing. Dramaturgin war sie am renommierten Opernhaus Theater an der Wien, bevor sie als Dramaturgin an die Dresdner Semperoper wechselt, wo sie bald zur geschäftsführenden Interimsintendanz des Opernhauses gehörte.

Ihr ist zuzutrauen, dass sie die Semperoper in ein gutes Fahrwasser navigiert, denn zur ästhetisch-künstlerischen Qualität, für die sie steht, hat sie in Graz gezeigt, dass das Gegenwartstheater einer Oper der Moderne, mit dem Blick in die Partituren lebender Komponisten, ihr besonderes Interesse weckt. Ohne dass sie dabei die Operette oder das Musical verachtet.

Die großartige Präsenz der Dresdner Semperoper, die einmal die Hofoper von "Elbflorenz" war, dürfte der neuen Intendantin zum Ansporn geraten. Dazu gehört der Publikumserfolg: Die Auslastung des Hauses mit mehr als 300 Veranstaltungen betrug in vorpandemischen Zeiten mehr als 90 Prozent. Die Musikgeschichte des Opernhauses ist noch imposanter: Dresden war, und ist es noch unter Christian Thielemann, die Stadt des Komponisten Richard Strauss, neun seiner Werke wurden hier uraufgeführt. Doch auch Busonis Oper "Doktor Faust" oder Hindemiths "Cardillac" kamen hier ans Licht der Welt. Legendäre Kapellmeister wie Fritz Reiner oder Fritz Busch standen am Chefpult. Eine spektakuläre Zeichengebung wäre es, würde Nora Schmid die Musikdirektion der Semperoper mit einer Frau besetzen, die Namen von Oksana Lyniv oder der Nürnberger Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz schweben schon in die Luft.

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