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Literaturnobelpreis für Vargas Llosa:Gegen das, was ist

Für seine radikale Kritik an den bestehenden Verhältnissen und den gesellschaftlichen Strukturen ist der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden.

Es sind seine eigenen Erfahrungen mit der Diktatur gewesen, die Mario Vargas Llosa zu einem Kämpfer gegen den Kommunismus werden ließen. Die Entwicklung von Castros Kuba nach den ersten, freieren Jahren, und die linke Militärdiktatur in seiner eigenen Heimat Peru lehrten den Schriftsteller früh, linken Utopien abzuschwören.

Es war nun genau dieses Kämpfen im Schreiben gegen die gesellschaftlichen Strukturen, seine radikale Kritik an den bestehenden Verhältnissen, denen der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa den Nobelpreis für Literatur wohl zu verdanken hat: Die Akademie würdigte seine "Kartographie von Machtstrukturen und seine scharf gezeichneten Bilder individuellen Widerstands" gegen diese Strukturen.

Der 74-Jährige war nicht unter den Favoriten, die in den vergangenen Tagen diskutiert wurden. Es war immer wieder die Rede davon gewesen, dass ein Afrikaner mit dem begehrtesten Preis in der Literaturszene ausgezeichnet werden könnte. Eine echte Überraschung ist die Auszeichnung für den Peruaner aber trotzdem nicht. Mario Vargas Llosa ist einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Essayisten und Romanciers - die meiste Zeit seines Lebens hat er derweil in Europa und Nordamerika gearbeitet. Heute lebt Vargas Llosa mit seiner zweiten Frau in London.

Der Schriftsteller wurde am 28. März 1936 in Arequipa in Peru als Sohn einer großbürgerlichen Familie geboren. Später studierte er Jura und Literatur in Lima. In dieser Zeit hegte er durchaus noch Sympathien für die Idee des Kommunismus, als Mitglied eines Studentenzirkels beteiligte er sich am Wiederaufbau der verbotenen und verfolgten Kommunistischen Partei.

Vargas Llosa promovierte 1971 über seinen Schriftstellerkollegen Gabriel Garcia Marquez - auch im späteren Verlauf seiner Karriere fiel er neben seinen eigenen Romanen auch mit Essays über literarische Themen auf

Schon 1959 aber ging Mario Vargas Llosa nach Paris, wo er als Spanischlehrer an der Berlitzschule unterrichtete. Später arbeitete als Übersetzer bei der Agentur Agence France Presse sowie als Redakteur für einen französischen Fernsehsender. Im Alter von 27 Jahren gewann Mario Vargas Llosa bereits den wichtigsten Literaturpreis Spaniens.

Seinen Weltruhm begründete Vargas Llosa gleich mit seinem ersten, 1962 erschienenen Roman "La ciudad y los perros" (Die Stadt und die Hunde). Das Werk ist eine eindrucksvolle Darstellung autoritärer Systeme. Sein neuestes Werk, "Die Welt des Juan Carlos Onetti", stellte er im Juli vorigen Jahres in Frankfurt vor. Das Werk über den aus Uruguay stammenden Onetti, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, sei von Frustration, Scheitern und Pessimismus geprägt. "Ist dies nicht die Welt, in der wir als Lateinamerikaner geboren und aufgewachsen sind? Ist dies nicht der Kontinent, auf dem alle Demokratisierungsversuche immer wieder scheitern?", fragte sich Vargas Llosa in Madrid.

Der Schriftsteller, der sich selbst als liberal bezeichnet, mischte sich auch leidenschaftlich in die Politik ein. Die Demokratie sei in ganz Lateinamerika gefährdet, warnte er. Linksgerichteten populistischen Staatschefs wie Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez warf er vor, einen "Kommunismus wie in Kuba" anzustreben. Trotz seines Nomadenlebens - Vargas Llosa bewohnte nach eigenen Angaben mehr als 40 Häuser - handeln nur drei seiner vielen Romane nicht von der peruanischen Heimat: "Der Krieg am Ende der Welt" sowie die beiden neueren Werke "La Fiesta del Chivo" (Das Fest des Ziegenbocks) und "El Paraíso en la otra esquina" (Das Paradies ist anderswo). Sein 2006 erschienener Roman "Das böse Mädchen" spielt teils in Peru, teils in Europa.

Im vergangenen Jahr war die aus Rumänien stammende deutsche Autorin Herta Müller mit dem bedeutendsten Literaturpreis der Welt ausgezeichnet worden.

Der Preis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro (zehn Millionen Kronen) dotiert und wird zusammen mit den wissenschaftlichen Nobelpreisen traditionsgemäß am 10. Dezember in Stockholm überreicht.

Der Literaturnobelpreis wird seit 1901 jährlich vergeben. Der schwedische Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896) hatte in seinem Testament bestimmt, dass derjenige den Preis erhält, "der in der Literatur das Ausgezeichnetste in idealistischer Richtung hervorgebracht hat". Das Werk soll von sehr hohem literarischen Rang sein und dem Wohle der Menschheit dienen.

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