Nigeria:Der neue Eigentümer der Benin-Bronzen

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König Ewuare II., bekannt als Oba von Benin, bei der Rückgabe zweier Benin-Bronzen im Februar 2022. Ihm sollen künftig alle dieser Kunstwerke gehören. (Foto: KOLA SULAIMON/AFP)

König Ewuare II. erhält das Anrecht auf alle 5000 Kunstwerke, die irgendwo in der Welt verstreut sind. Womit die bisherigen Museumspläne in seinem Land wohl Geschichte sind.

Von Bernd Dörries

Vielleicht hat sich der Oba von Benin am Wochenende auch die Krönung von Charles III. angeschaut, den ganzen Prunk gesehen, den die Kollegen da in Großbritannien aufgefahren haben, die Kutsche und das Gold, und es ein wenig mit seiner näheren Umgebung verglichen. Zwar besitzt er einen Rolls-Royce Phantom aus dem Jahr 2016, der damals etwa eine halbe Million Euro gekostet haben könnte, sein Palast sieht aber eher aus, als habe sich ein schwäbischer Handwerksmeister mit viel Eigenleistung den Traum von einem Mehrfamilienhaus mit griechischen Säuleneingang erfüllt. Ewuare II. ist zwar der Oba, also der König des alten Königreiches von Benin im heutigen Nigeria, bekommt vom Staat aber nur noch eine Kostenpauschale und ist ansonsten vor allem auf die Spenden seiner Untertanen angewiesen. Was ihn mit Sicherheit gewurmt hat.

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Seit wenigen Wochen ist Ewuare II., 69, aber hundertfacher Millionär, vielleicht sogar Milliardär. Auf dem Papier zumindest. Im März übertrug ihm Nigerias Präsident Muhammadu Buhari das Eigentum über alle sogenannten Benin-Bronzen. Etwas mehr als 5000 davon sind weltweit registriert, aus Bronze sind die wenigsten davon. Es sind Skulpturen und Metalltafeln aus Messing, Gold, aber auch Holz und Leder, manche auch aus Bronze. Sie stammen größtenteils aus der Zeit zwischen 1450 und 1650 und zeigen die Geschichte des Königshauses, das damals keine Schrift kannte. Die Briten raubten bei einem Rachefeldzug 1897 die meisten der Kunstwerke und versteigerten sie in London, von dort aus gelangten sie in die ganze Welt, in 131 Museen in zwanzig Ländern.

Nigeria und die Könige Benins fordern schon seit Jahrzehnten die Rückgabe und stießen im Westen sehr lange auf taube Ohren; die gehen da unten nur kaputt oder werden gestohlen, hieß es. In jahrelanger Kleinarbeit versuchten Kuratoren, der Gouverneur des Bundesstaats Edo, in dem Benin liegt, und auch das Auswärtige Amt, eine Brücke zu bauen. Die Idee war: In Benin City wird ein Museum gebaut, in das die Bronzen aus der ganzen Welt kommen: Der Gouverneur Godwin Obaseki wollte das neue Museum zu einem Touristenmagnet machen, zu einem Leuchtturm für die ganze Region, der ghanaische Stararchitekt David Adjaye lieferte einen Entwurf. Ende 2022 reiste Annalena Baerbock nach Nigeria und unterzeichnete die Rückgabe der Bronzen aus Deutschland an den nigerianischen Staat: Vieles sollte als Leihgabe in Deutschland bleiben können, der Rest an das neue "Edo Museum of West African Art" (EMOWAA) gehen, für das Deutschland schon mal vier Millionen Euro gezahlt hat. Daraus wird nun womöglich nichts, weil Nigerias Präsident alles einfach an den Oba weitergereicht hat. Der nun auch sein eigenes Museum bauen will. Das hatte er schon oft angekündigt, war dafür in Berlin und London aber eher belächelt worden.

Politisch ist der Oba offiziell machtlos, doch er hat Einfluss

Vielleicht war den Besuchern nicht ganz klar, dass der Oba zwar politisch gesehen weitgehend machtlos ist, seinen Einfluss aber aus der Tradition bezieht: Was dem Oba gefällt, gefällt auch mir, sagen sie in Benin City. Und das glitzernde Museum, das die anderen wollten, gefiel ihm nie, mit dem Gouverneur lag er schon lange über Kreuz. Dem Präsidenten soll er die Schenkung durch Wahlkampfhilfe für dessen Partei schmackhaft gemacht haben. Nun kann der Oba offenbar entscheiden, wohin die Bronzen kommen. "Die Rückgabe aller entwendeten Schätze wird eine neue Ära der Geschichte und Zivilisation Benins einleiten" , sagte er kürzlich. Ob damit die Anschaffung eines zweiten Rolls-Royce gemeint ist oder tatsächlich der Zugang aller zu den Kulturschätzen der Menschheit, wird sich zeigen.

Ewuare II. hat in England und den USA studiert und gilt vielen als eher progressiver Herrscher, der gegen Menschenhandel kämpft. Er steht aber auch in der Linie seiner Vorfahren, deren Aufarbeitung der eigenen Geschichte und ihrer Mittäterschaft im Sklavenhandel bisher überschaubar ist.

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