Nicolaus Steno bekommt Google Doodle zum 374. Geburtstag:Vom Forscher zum Priester

Widersprüchlicher geht es kaum: Nicolas Steno war strenggläubiger Christ - und hat gleichzeitig die biblische Schöpfungsgeschichte verworfen. Im 17. Jahrhundert geboren, reiste er für die Forschung quer durch Europa, traf Gelehrte und Wissenschaftler und begründete die moderne Geologie. Ein Zufall führte ihn auf die Spur seiner wichtigsten Entdeckung.

Christopher Pramstaller

"Recht und billig ist, was wir sehen, billiger was wir wahrnehmen, am billigsten schließlich das, was immer noch verschleiert ist". Es bedarf einer gewissen Kühnheit, um diese Zeilen im Jahr 1673 zu schreiben, wie es Nicolaus Steno (auch Nicolaus Steno und Niels Stensen genannt) getan hatte, der am heutigen Mittwoch seinen 374. Geburtstag feiern würde und dafür von Google mit einem Doodle bedacht wird.

Nicolaus Steno

Ein Haifischzahn der ihn an Fossilien erinnerte, ließ bei Nicolaus Steno die Idee der Geologie entstehen.

(Foto: dpa)

Seinen Augen und den eigenen Beobachtungen mehr Vertrauen zu schenken, als den Antworten der Kirche und anderer alten Autoritäten auf wissenschaftliche Fragen, hatte hundert Jahre zuvor wegen Ketzerei noch direkt auf den Scheiterhaufen geführt. Katholische Glaubensgrundsätze anzufechten, und wie beispielsweise Giordano Bruno (1548 - 1600) zu behaupten, das Universum sei unendlich, war damals eine gefährliche Angelegenheit.

Nicolaus Steno, der Begründer der modernen Geologie, hatte in seinem Forscherleben jedoch die Erfahrung gemacht, einzig und alleine der eigenen Beobachtung zu glauben. Egal, ob sie Glaubenssätzen widersprechen sollten und ihn in Schwierigkeiten bringen könnten. Erst in der Anatomie, und später in der Pflanzenkunde und der Geologie, hatte Steno mit genauer Auffassungsgabe Entdeckungen gemacht, die später so wichtige Wissenschaftler wie Charles Darwin beeinflussen sollten.

Von der Anatomie zur Geologie zur Theologie

Nicht nur für seine Zeit war dieses unerschütterliche Vertrauen auf naturwissenschaftliche Forschungsmethoden imponierend. Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass Nicolas Steno nicht nur Wissenschaftler war, sondern gleichzeitig streng gläubiger Christ - und dennoch nicht daran glaubte, dass die Erde in sieben Tage geschaffen wurde. Zwei Mal hatte sein Forscherleben eine Wende vollzogen: zunächst von der Anatomie zur Geologie, dann zur Theologie und Religionsfragen.

Nicolaus Steno, der 1638 als Sohn eines Goldschmieds in Kopenhagen geboren wurde, war ein unentwegt Reisender. Stets war er auf der Suche nach neuen Erkenntnissen, nach Gesprächen mit Wissenschaftlern und Forschern in ganz Europa. In den Niederlanden, Frankreich, Italien und Deutschland war er im 17. Jahrhundert über Jahrzehnte hinweg unterwegs und traf die wichtigsten Anatomen und Wissenschaftler seiner Zeit. Spinoza soll dabei gewesen sein, Gerard Blasius oder Gottfried Leibniz.

Zunächst forschte Nicolaus Steno in der Anatomie und untersuchte dabei als einer der ersten Tränen- und Speicheldrüsen des menschlichen Körpers und es deutete noch wenig darauf hin, dass der für seine Geschicklichkeit mit dem Skalpell bekannte Forscher später gerade in der Wissenschaft der Steine große Taten vollbringen sollte.

Christ und Bibel-Kritiker zugleich

Doch wie so oft war es ein Zufall, der der Wissenschaft auch im Falle von Nicolaus Steno zu seiner bedeutendsten Entdeckung verhalf. Ein Mann der sein ganzes Leben lang durch seine genaue Auffassungsgabe brillierte, wurde erst durch den Fang eines Haifisches nahe Livorno im Jahr 1666 auf die Idee gebracht, dass Fossilien einst lebende Organismen waren und nicht - wie die damals verbreitete Lehrmeinung - in den Steinen wachsen würden.

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Steno hatte nur einen Haifischzahn. Heute untersuchen Forscher Bohrkerne auf verschiedenste Ablagerungen und können dadurch Rückschlüsse auf geologische Entwicklungen ziehen.

(Foto: dpa)

Bei Ferdinando de Medici II. zu Gast, wurde ihm der Kopf des gefangenen Haifischs zur anatomischen Untersuchung übergeben. Die Zähne des Hais erinnerten ihn stark an so genannte Zungensteine, die in bestimmten Bodenschichten zu finden sind.

Größe und Aussehen stimmten genau überein und so stellte sich Steno zum ersten Mal die Frage, ob diese "Erdauswüchse" in Wirklichkeit tierischen Ursprungs sein könnten. Kopfzerbrechen bereiteten Steno auch Muscheln, die weit entfernt vom Meer in Gesteinsschichten zu finden sind. Die Sintflut musste die Muscheln angespült haben, so hier die These - doch Steno zweifelte.

Die Bibel liefert keine Erklärung

Obwohl Steno tiefgläubig war, war ihm eine Flutkatastrophe eine zu vage Erklärung. Denn Muscheln und anderer Fossilien waren tief in das Gestein eingelassen und lagen nicht an der Oberfläche. Es musste also eine Ablagerungsgeschichte vorliegen und so verfasste Steno eine Studie über die Entstehung von Gesteinsschichten und begründete damit eine neue Wissenschaft: die Geologie.

Trotz seines Glaubens - er wurde in späteren Jahren sogar zum Bischof ernannt - war Steno der erste, der der Erde eine Geschichte gab, die die Evolution unabhängig von der Bibel und der Genesis schilderte. Mit seiner Darstellung eines Planeten im ständigen Wandel, der nicht von Gott in für die Ewigkeit unveränderlich geschaffen wurde, hat er damit heutigen wissenschaftlichen Denken den Weg mit geebnet.

1686 verstarb Nicolaus Steno in Schwerin, nachdem er sich zuvor noch stark in der Gegenreformation engagiert hatte und als mitverantwortlich für die Verbannung der Schriften Spionzas gilt. 1988 wurde er von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.

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