Nicolas Roeg:Gischt der Liebe

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Der Mann fürs Puzzlige im Kino: Nicolas Roeg. (Foto: dpa)

Der Filmemacher wird 90 Jahre alt. Er begann als Kameramann und machte sich dann als Regisseur einen Namen, zum Beispiel mit "Wenn die Gondeln Trauer tragen."

Von Fritz Göttler

Schöne Frauen die schönsten Sachen machen lassen, das ist die berühmte, vielstrapazierte Parole fürs Kino der Nouvelle Vague. Ein paar davon haben das auf ganz eigene Weise praktiziert, sie haben Filme gemacht mit ihren eigenen Ehefrauen, Claude Chabrol und Stéphane Audran, Jean-Luc Godard und Anna Karina. Noch weiter ging nur Nicolas Roeg, als er seine Frau Theresa Russell im Jahr 1985 Marilyn Monroe verkörpern ließ in dem bombigen Film "Insignificance". Roeg wäre ein starker Vertreter der britischen Nouvelle Vague, wenn es denn eine solche gegeben hätte. Für François Truffauts "Fahrenheit 451" hatte er 1966 die Kamera gemacht.

Anfang der Siebziger galt Nicolas Roeg als einer der aufregendsten - und auch erfolgreichsten - jungen Regisseure, mit den Filmen "Performance" - mit Mick Jagger -, "Wenn die Gondeln Trauer tragen/Don't Look Now", mit Donald Sutherland und Julie Christie, und "Der Mann der vom Himmel fiel" wieder mit Bowie. Drei Filme, deren Helden wie Aliens daherkommen (oder wirklich welche sind), sich selber fremd, sogar Sutherland, ein Restaurator in der Geisterstadt Venedig, der die Gabe des zweiten Gesichts hat, aber den eigenen angedeuteten Tod nicht erkennen mag. Die drei Filme sehen heute aus wie monströse, langgestreckte Videoclips, Abgesänge auf eine sterbende Zeit, die swingenden Sechziger.

1980 kam dann, der erste Roeg-Film mit Theresa Russell, "Bad Timing", der auf der Berlinale gezeigt wurde und, als er dann in die Kinos kam, von der Kritik als krank gebrandmarkt wurde. Für Dominik Graf damals eine schneidende Kinoerfahrung: "Die Gischt dessen, was Roeg in zwei Stunden über das Leben und die Liebe mitzuteilen hatte, war mir völlig ohne Vorwarnung entgegengeschlagen ... als sei ich zum ersten Mal Zeuge, wie gnadenlos erwachsene Menschen ihren Liebeskampf auf Leben und Tod austrugen." Der Film wurde ganz schnell wieder aus dem Verleih gezogen, genauso ging es 1983 "Eureka", einer brutalen "Citizen Kane"-Variante mit Gene Hackman, und Nicolas Roeg reagierte darauf, indem er seine Filme in den kommenden Jahren immer rätselhafter machte, durch sprunghafte Montage, den abrupten Wechsel von der realen zur imaginären Ebene, auch mit groben Gags - Marilyn, die mit dem Atomschlag zündelt.

"Ich schaffe äußerst seltsame Sachen aus äußerst vertrauten", hat Roeg in einem Interview einen Satz von Max Ernst zitiert. In den Sechzigern hat er auch mit David Lean gearbeitet, einige der halluzinativsten Momente in "Lawrence von Arabien" sind wohl von ihm. Dann "Doktor Schiwago", völlig verrückt, russische Winterleere in Spanien gedreht - das war in den Sechzigern begehrt fürs internationalen Monumentalkino. Roeg verließ den Set vorzeitig. Das war wie eine Ehe, erinnert er sich, Lean war ein Perfektionist, er überhaupt nicht. "Ich habe nie ein Storyboard gemacht, ich mag die Idee des Zufalls. Was Gott zum Lachen bringt, sind Leute, die Pläne machen." Immer wieder ist dieses Lachen zu hören in den Filmen von Nicolas Roeg, der am Mittwoch neunzig Jahre alt wird.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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