Süddeutsche Zeitung

Rap-Superstar:Nicki Minaj kündigt Karriereende an

Die Frage ist nur, welche Karriere gemeint ist: Rapperin, Lippenstift-, Lautsprecher-, Sneaker- oder Parfümschöpferin? Über einen Rückzug mit vielen Hintertüren.

Von Quentin Lichtblau

Wenn jemand, der um seine Person ein ganzes Imperium aufgebaut hat, seinen Rückzug ankündigt, muss man sich erst einmal fragen: Rückzug wovon? Nicki Minaj, Rap-Superstar, aber auch Moderatorin einer Radiosendung namens "Queen Radio", Model für Marken wie Roberto Cavalli, Schauspielerin, Miteigentümerin des Streamingdienstes Tidal, Lippenstift-, Lautsprecher-, Sneaker- und Parfümschöpferin, will nicht mehr. Das zumindest twitterte sie am Donnerstagabend: "Ich habe beschlossen, in den Ruhestand zu gehen."

Sie wolle eine Familie haben, schrieb die 36-Jährige zur Begründung und lieferte damit dem Boulevard direkt weitere Spekulationsmöglichkeiten über eine baldige Hochzeit. Von welchen ihrer zahlreichen Verdienstmöglichkeiten sich Nicki Minaj nun tatsächlich zurückziehen will und ob nicht bereits morgen ein "Rückzug vom Rückzug"-Tweet folgen könnte, ist bisher noch unklar. Die Rapperin ist nicht unbedingt bekannt für ein ausgeglichenes Temperament.

Dass die 1982 in Trinidad als Onika Tanya Maraj geborene Multiverdienerin bei ihrer Ankündigung tatsächlich ihr Hauptbetätigungsfeld, die Musik, meint, ist aber sehr wahrscheinlich. Von ihren Alben "Pink Friday", "Pink Friday: Roman Reloaded" und "Pinkprint" (ja, sie hat ein Faible für eine gewisse Farbe) mit Hits wie "Anaconda" und "Starships" verkaufte Minaj mehr als fünf Millionen Exemplare, sie war zehn Mal für den Grammy nominiert. Gleichzeitig war sie in den vergangenen Jahren in gefühlt jedem zweiten Hit von Künstlern wie Madonna, David Guetta oder Kanye West mit einem Rap-Gastpart vertreten.

Kanye West hätte ihren Auftritt fast wieder gestrichen, aus Gründen des Selbstschutzes, wie es heißt: Minajs stimmlich genial bipolar zwischen Engel und Satan oszillierende Verse auf Kanye Wests "Monster" seien so gut gewesen, dass sie den anderen vertretenen Rappern - und natürlich ihm selbst - die Show stehlen könnten, habe West befürchtet. Nicki Minaj habe ihn dann aber doch davon überzeugt, dass der Part bleiben könne, so ihre Erzählung.

Er sei ja schließlich immer noch Kanye West. Ihr aktuelles Album "Queen", erschienen vor einem Jahr, schaffte es dann nicht wie gewohnt an die Spitze der US-Charts, was im Minaj-Universum der Superlative schon mal als Totalversagen gelten kann. Minaj verfluchte daraufhin öffentlich den Erstplatzierten Travis Scott, der sich nach ihrer Ansicht die Chartposition nur über werbewirksame Posts seiner Verlobten Kylie Jenner erschlichen habe. Außerdem habe Spotify sie verraten, da der Musikstreamingdienst in seinen Playlists statt ihres Gesichts lieber den Rapper Drake abgebildet habe. Kurz darauf verschob sie ihre Nordamerika-Tour mit dem Rapper Future; sie wolle bei der Produktion noch nachbessern und mehr proben, hieß es. Der wahre Grund dürften aber schleppende Ticketverkäufe gewesen sein, neue Termine für die Tour stehen bis heute aus.

Den jetzt angekündigten Rückzug kann man dementsprechend für eine weitere impulsive Geste einer Rapperin halten, die sich schon immer dramatisch in Szene zu setzen wusste und eine kurze Auszeit wegen des Schockeffekts zum vorzeitigen Karriereende aufgeblasen haben könnte. Schließlich hatte sie erst im Juni diesen Jahres bekannt gegeben, dass ihr fünftes Studioalbum bereits in Arbeit sei. Und auch Rap-Kollegen wie Jay-Z kündigen gerne ihr Karriereende an, nur um wenige Jahre später wieder ein auferstehungsartiges Comeback zu inszenieren.

Vielleicht ist der Rückzug von Nicki Minaj aber auch die vollkommen rationale und - verglichen mit so manchem untot über die Bühnen zuckenden Rockopa - würdevolle Konsequenz einer gereiften Künstlerin, die in ihrer Karriere bereits mehrmals die maximale Flughöhe erreicht hat und nun lieber sicher landet, als in endlosen Kapriolen Richtung Boden zu taumeln.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2019
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