Kolumne "Nichts Neues":Glück gefangen

Kolumne "Nichts Neues": Zwei Menschen, die sich mögen und gute Laune haben: Elis Regina und Tom Jobim.

Zwei Menschen, die sich mögen und gute Laune haben: Elis Regina und Tom Jobim.

(Foto: youtube/SZ-Collage)

Bei der Silbe "da" springt der Funke über: Elis Regina und Tom Jobim singen in "Aguas de Março" das wohl schönste Duett des Bossa Nova.

Von Johanna Adorján

Selten kann ich den Lieblingsmoment in einem Song so eindeutig benennen wie in "Aguas de Março": Minute zwei, Sekunde 54. Da nämlich singt die brasilianische Sängerin Elis Regina die zweite Silbe des Wortes "Ida", also das "-da". Wir sind da schon ein paar Strophen drin in diesem federleicht traurigen Song, und es findet gerade eine Art verbaler Schlagabtausch zwischen Elis Regina und ihrem Gesangspartner Tom Jobim statt, der den Song auch geschrieben hat, es ist einer der berühmtesten der Gattung Bossa Nova (und vielleicht der allerschönste).

Immer abwechselnd werfen sie sich jetzt ein Wort zu, und auch wenn vorher schon spürbar war, dass man es hier mit zwei Menschen zu tun hat, die sich mögen und gute Laune haben, springt spätestens hier ein Funke über, springt einem aus dem Jahr 1974 mitten ins Herz, weil sie dieses "-da" nämlich mit einem so netten Glucksen der Freude in die Welt hinausschickt. In den Takten darauf kann man hören, dass sie beim Singen mindestens lächelt, wenn nicht lacht, und es ist unmöglich, wirklich unmöglich, dabei nicht auch selbst so etwas wie Glück zu verspüren.

Zwischen den beiden britzelt die Luft

Es gibt zu dieser Aufnahme ein Video. Da stehen die beiden in einem dunklen Raum links und rechts von einem Hängemikrofon und singen, mehr passiert nicht. Sie sehen aus wie zwei Intellektuelle aus einem Woody-Allen-Film, wenn man den Ton abdreht, könnte man denken, sie würden sich einfach unterhalten. Er trägt einen senffarbenen Pulli mit V-Ausschnitt zum Hemd mit großem Kragen, sie ein grobes Jeanshemd. Ihr Kurzhaarschnitt ist von riesigen Siebziger-Jahre-Kopfhörern halb verdeckt. Und zwischen ihnen britzelt die Luft. Nicht sexuell aufgeladen, sondern mit Interesse und Herzlichkeit.

Es ist wirklich bezaubernd, wie sie miteinander sind. Er grinst sie an, sie lacht zurück, eine Strophe pfeifen sie ganz ernst. Einmal vergisst er, zum Playback den Mund zu bewegen; sie hat nach einem fast unmerklichen Schnitt plötzlich eine brennende Zigarette zwischen zwei Fingern. Nach dem letzten Ton verdreht er gespielt erleichtert die Augen und geht in die Knie, während sie sich zurücklehnt und lacht. Glück, sagt man, ist flüchtig. Hier hat man es einmal eingefangen.

Weitere Folgen der Kolumne "Nichts Neues" finden Sie hier.

Zur SZ-Startseite

Kolumne Nichts Neues
:Vorhang

Anouk Aimée hat in "Un homme et une femme" Probleme mit der Frisur.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: