Süddeutsche Zeitung

"Nicht mein Tag" im Kino:Gangster und Biedermann

Irgendwo zwischen Slapstick und Lebensdrama schleichen sich zwei charmante Loser, gespielt von Moritz Bleibtreu und Axel Stein, in die Herzen der Zuschauer. Ein Buddy-Movie nach einem Roman von Ralf Husmann, der schon Stromberg auf den Fernsehbildschirm holte.

Von Anke Sterneborg

Bausparvertrag, Reihenhaus, Lähmung am Arbeitsplatz, genervte Ehefrau, quengelndes Kind. Wenn die Midlife-Crisis einsetzt, raten Therapeuten gern mal zum Wandel: Was Neues ausprobieren, was Besonderes kochen, eine Reise planen . . .

Dass auch ein Bankraub mit Geiselnahme einem stagnierenden Leben den therapeutischen Kick geben kann, spielt Peter Thorwarth in seinem neuen Film "Nicht mein Tag" durch. Die Romanvorlage stammt von Ralf Husmann, der sich mit den Niederungen der Büroroutine auskennt, seit er Ricky Gervais' britische Serie "The Office" in den deutschen "Stromberg" verwandelt hat. Ähnlich geht es hier los, in irgendeiner Sparkasse im Ruhrgebiet, mit bemühter Ausgelassenheit bei einer Betriebsfeier mit Faschingsgirlandendeko und süßem Sekt aus Plastikgläsern.

Hier arbeitet Kreditberater Reimers. Schlecht sitzender Anzug, randlose Brille, aufgesetzte Lockerheit im Kundengespräch. Eigentlich gibt es wenig Grund, sich für den Mann zu interessieren. Kaum origineller ist allerdings auch der Bankräuber Nappo, der nun unerwartet in sein Leben tritt: Prollig, zottelige Haare, wilde Tattoos, derbe Macho-Sprüche.

Dass sich diese beiden Loser dann doch bald charmant ins Herz des Zuschauers einschleichen, ist dem lustvollen Spiel von Axel Stein und Moritz Bleibtreu zu verdanken. Genau wie Jasmin Gerat als nuttiges Gangsterliebchen und Anna Maria Mühe als frustrierte Ehefrau schälen sie aus den Klischees wahrhaftige und sogar liebenswerte Charaktere heraus, sicher inszeniert von Peter Thorwarth, der sich seit seinem Filmdebüt "Bang Boom Bang" im Ruhrpott sehr zu Hause fühlt.

Fast schon der Anfang einer Männerfreundschaft

Nachdem sein Fluchtfahrer abgehauen ist, nimmt Nappo beim Bankraub kurzerhand Reimers samt Familienkarosse als Geisel. Der ist zunächst entsprechend kleinlaut, doch bald beginnt er, dem kopflosen Gangster mit gesundem Menschenverstand zur Seite zu stehen. Ohne ihn hätte der glatt die Beute im Wald vergessen - oder viel zu viel Geld für einen 1968er Ford Mustang bezahlt. Als die beiden mit röhrendem Motor davonbrausen, ist das fast schon der Anfang einer Männerfreundschaft, die sich durch die gemeinsame Leidenschaft für die fiktive Hardrockband Donar vertieft.

Die kriminellen Energien des Gangsters und die theoretischen Fähigkeiten des braven Bürgers ergänzen sich dann tatsächlich wunderbar, genau wie die widersprüchlichen Komponenten dieser Komödie zwischen Slapstick und Lebensdrama.

In Gang gehalten wird sie durch eine Fülle von Missverständnissen und Verwechslungen. Da verpassen die Helden immer wieder das Wesentliche, weil sie mit ihren Alltagsquerelen beschäftigt sind. "Bring Klopapier und eine Gurke mit", trägt die Ehefrau ihrem Mann am Telefon auf, während im Kassenraum seiner Bank schon der Raub im Gange ist.

Und als Reimers seiner Frau nach 24 Stunden Geiselnahme ein Lebenszeichen geben will, ist diese viel zu unaufmerksam, um den Ernst der Lage zu erfassen. Kein Wunder, dass der Biedermann geradezu enttäuscht ist, als er wieder in seinem alten Leben abgesetzt wird . . . und so darf es natürlich nicht enden. Bald steht Nappo wieder vor der Tür, und die Reise geht weiter - diesmal sogar freiwillig.

Nicht mein Tag, D 2014 - Regie: Peter Thorwarth. Buch: Stefan Holtz, Thorwarth. Kamera: Jan Fehse. Schnitt: Andreas Menn. Mit: Moritz Bleibtreu, Axel Stein, Jasmin Gerat. Verleih: Sony 115 Minuten.

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SZ vom 22.01.2014/mfh
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