Neujungfrauenkloster in Moskau:Am Rande der Katastrophe

Orthodox nuns watch firefighters work to extinguish a fire at the bell tower of Novodevichy monastery, a UNESCO World Heritage site, in Moscow; orthodox

Wie aus einem Gemälde Ilja Repins: Orthodoxe Nonnen des Neujungfrauen-Klosters in Moskau beobachten den brennenden Turm.

(Foto: Tatyana Makeyeva/Reuters)
  • Das Feuer brach im Glockenturm aus.
  • Die Feuerwehr nahm den Brand sehr ernst. Sie tat alles, um ihn zu löschen.
  • Auf dem Ehrenfriedhof des Klosters liegen zahlreiche Größen der russischen und sowjetischen Geschichte: Politiker, Dichter, Romanciers, Balletttänzer, Musiker, Sänger und Schauspieler.
  • Viele Frauen landeten hier über die Jahrhunderte hinweg - freiwillig oder gezwungenermaßen.
  • Erst in jüngerer Zeit kam das Kloster wieder in den Besitz der Kirche.

Von Tomas Avenarius

Der Lärm der Stadt verebbt, die Moskwa macht zwischen Weiden eine Biegung, rechts beginnt irgendwann der Gorki-Park, links füllen goldschimmernde Zwiebeltürme und ziegelrote Bastionen unerwartet das Bild. Am Nowodewitschi-Kloster, dem Neujungfrauenkloster, ist man sehr weit weg von der zuckrigen Machtarchitektur des Kreml, der kalten Parteidiktaturgeste der Sowjetbauten und den tosenden vielspurigen Straßen Moskaus.

Das Neujungfrauenkloster ist ein Ort im Ort, ein irgendwie verzaubertes Unikat und, ja auch das, ein erfreulicher Verweis auf das ansonsten so abgedroschene Bild vom alten Russland. Jetzt aber, in der Nacht auf Montag, hat es in dem alten Moskauer Wehrkloster aus dem 16. Jahrhundert gebrannt.

Feuerwehr ging vom Schlimmsten aus

Dass die Feuerwehr eine Katastrophe verhindert hat, muss ihr hoch angerechnet werden in Zeiten, in denen Russland und seiner Führung ansonsten wenig Sinn steht nach der Rettung historischer Bauten. Erst vor Kurzem gingen beim Feuer in einer Bibliothek der Akademie der Wissenschaften ungezählte historische Bände in Flammen auf.

Der Brand in dem noch immer von mehr als zwei Dutzend Nonnen bewohnten Kloster ist im Glockenturm ausgebrochen. Dieser war offenbar wegen Renovierungsarbeiten eingerüstet und geriet wohl wegen eines Kurzschlusses in Flammen.

Anscheinend ging die Feuerwehr vom Schlimmsten aus, fürchtete um den Gesamtkomplex und wollte zeitweise sogar Löschhelikopter einsetzen. Das war nicht nötig; Vizekulturminister Grigori Prumow gab am Tag danach offiziell Entwarnung. Gebrannt habe vor allem das Gerüst: "Wahrscheinlich hat der Turm mit Ausnahme von Rußschäden nicht gelitten."

Russische Geschichte in einer einzigartigen Verbindung

Auch wenn das Schlimmste verhindert werden konnte, dürfte das Löschwasser einige Schäden angerichtet haben an der alten Bausubstanz.

Das Neujungfrauenkloster zählt seit 2004 zum Unesco-Weltkulturerbe. Denn es erzählt vor allem in Kombination mit seinem Ehrenfriedhof russische und sowjetische Geschichte in einer einzigartigen Verbindung. Politiker, Dichter, Romanciers, Balletttänzer, Musiker, Sänger und Schauspieler liegen hier: Der Gang zwischen den Gräbern führt von Autor Anton Tschechow, Nikolai Gogol und Wladimir Majakowski bis zur letzten Ruhestätte des an der Kremlmauer unerwünschten Generalsekretärs Nikita Chruschtschow.

Boris Jelzin liegt hier, wie auch Raissa Gorbatschowa

Wer nicht zum Ehrenmal des Sängers Fjodor Schaljapin abbiegt, kann das Grab von Nadeschda Allilujewa finden, der unter merkwürdigen Umständen durch Selbstmord gestorbenen zweiten Frau von Josef Stalin.

Raissa Gorbatschowa liegt hier, die Frau des Glasnost-Kommunisten, und nicht weit von ihr Boris Jelzin, der erste nicht-sowjetische Führer Russlands. Die Opfer einer Luftfahrtkatastrophe finden sich ebenso wie die Gräber von sowjetischen Panzergeneralen, die sich obstkistengroße T-34-Modelle auf die Marmorplatte haben stellen lassen, oder der Grabstein eines beliebten Komikers, neben dessen Porträt sich die Statue seines Hund findet.

Rückzugsort vieler Frauen

Die Anlage war 1524 als Frauenkloster gegründet worden. Sie kontrollierte eine Furt über die Moskwa und stand in einer Reihe mit den anderen bekannten Wehrklöstern rund um Moskau. Das Kloster war lange der freiwillige oder erzwungene Rückzugsort für die Frauen, Schwestern und Töchter berühmter Adliger. Peter der Große brachte eine machtambitionierte Schwester hier fern der Krone unter, seine erste Frau schickte er gleich hinterher.

Das Kloster war reich und überstand über die Jahrhunderte zahlreiche Belagerungen, wurde aber des Öfteren auch niedergebrannt, etwa von den nach Moskau eingefallenen Truppen der Tataren oder denen der Polen. Auch Napoleons Grenadiere wüteten und plünderten. Als sie aber das Kloster beim Abzug in die Luft sprengen wollten, protestierten die Nonnen und retteten ihre Anlage.

Putin gab das Kloster an die Kirche zurück

Die religionsfeindlichen Sowjetherrscher, die Kirchen und Klöstern abrissen, als Schwimmbäder und Lager missbrauchten oder verrotten ließen, richteten im Neujungfrauenkloster Behörden und ein Museum ein. 1944 ließen sie hier sogar ein theologisches Seminar zu und gaben den verbliebenen Gläubigen kurz darauf die Kirchen zurück.

Der heutige Präsident und ehemalige KGB-Mann Wladimir Putin, der sich selbst als frommen Gläubigen präsentiert, zog einen Schlussstrich: Er gab das Neujungfrauenkloster offiziell an die Kirche zurück.

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