Nur diese eine Geschichte. Fran Healy, 40, Sänger der Band Travis, hat sie kürzlich einem Journalisten erzählt. Sie spielt ums Jahr 2000 herum, in der Zeit nach ihrem zweiten Album. Die Musiker besuchen ihre alte Heimat Glasgow und gehen zum Essen in eine Bar. Überall sitzen alte Frauen. Der Wirt hat eine Karaoke-Anlage und fragt, ob Healy "Why Does It Always Rain On Me?" singen könne. Healy ist nicht der Typ, der eine Bitte abschlägt. Also singt er den größten Hit der Band. Danach beugt sich eine alte Frau zu ihm herüber und sagt, mit gutmütigem Unterton: "Das klang ja fast wie das Original." Sie hatte keine Ahnung, wer er war.
Die Songs von Travis sind nicht nur bekannter als ihre Gesichter - die Band hat auch nichts dagegen, von alten Leuten gemocht zu werden. Ist es ein Verbrechen, nett zu sein? Natürlich nicht, würden Travis sagen. Auf die Art hatten sie ja auch kommerziell derart viel Erfolg, wie er vergleichsweise unmodisch aufgemachten Gitarrengruppen heute sehr selten gelingt. Und so ist auch die neue Platte "Where You Stand" eine Travis-Platte geworden. Es ist die siebte insgesamt, die erste nach fünf Jahren. Schon der Eröffnungssong "Mother" macht mit seiner klingenden Akustikgitarre deutlich: Hallo, wir sind wieder da - aber noch ganz die Alten, keine Angst. "Hold me close and listen to the song", singt Healy. Alles klar.
Vom Samstagsheadliner zur obsoleten Band
Um die Jahrtausendwende war Travis die angesagteste Band Großbritanniens. Ihr zweites Album "The Man Who" war 1999 das meistverkaufte in ihrer Heimat, auch in Deutschland kam Travis mit mehreren Platten in die Top Ten der Charts. Im Jahr 2000 trat Travis als Samstagsheadliner beim berühmten Glastonbury Festival auf, vor 170 000 Leuten. An dem Tag spielte auf der zweiten Bühne und deutlich früher eine Band, die bald nicht nur die größte des Landes sein würde, sondern eine der größten der Welt, weil ihr im Gegensatz zu Travis auch in den USA der Durchbruch gelingen sollte: Coldplay.
Travis hatte die eher introvertierte Musik der frühen Werke von Radiohead so aufbereitet, dass sie auch Teenagern gefiel, die sich nicht permanent von der Gesellschaft ausgestoßen fühlten. Coldplay wiederum drehten den Sound von Travis so weiter, dass er auch bei 42-jährigen Hausfrauen ankam, die sich noch nie von der Gesellschaft ausgestoßen gefühlt hatten. Aus Pessimismus wurde Melancholie wurde Teelicht. Chris Martin hat den Einfluss von Travis auf das Frühwerk von Coldplay längst eingeräumt. Was der weltumspannende Erfolg von Coldplay auch bedeutete: Ein ganzer Haufen britischer Bands wurde gewissermaßen obsolet. Gruppen wie Embrace, Starsailor, Doves. Und Travis.