Neues Album von "SuperHeavy":Band aus der Marketingabteilung

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So viele große Namen: Mick Jagger, Dave Stewart, Joss Stone. Doch das Album "SuperHeavy" der gleichnamigen Band profitiert nicht von den musikalischen Schwergewichten des Ensembles. Im Gegenteil: Es mangelt ihm an Leichtigkeit.

Willi Winkler

Satyameva Jayathe ist, je nachdem, wen man fragt, ein Begriff aus dem Urdu, Hindu oder Sanskrit, es klingt auf jeden Fall ziemlich ausländisch und bedeutet, Kennern zufolge, dass am Ende die Wahrheit siegen wird oder etwas Nettes in der Art, ist aber vor allem der Titel eines Stimmungsliedes, in das eine Gruppe recht bunter Herrschaften ohne Vorwarnung einfällt: Satyameva Jayathe.

Band SuperHeavy: Damian Marley (v.l.), Dave Stewart, Mick Jagger, Allah R. Rahman und Joss Stone. (Foto: dpa)

Nun ist gegen das gemeinsame Absingen auch unverständlicher Lieder nichts zu einzuwenden, womansingtdalassdichruhignieder und so weiter, wer singt, richtet wenigstens sonst kein Unheil an. Bei den indophilen Musikanten handelt es sich in diesem Fall um Dave Stewart (früher Eurythmics), Damian Marley (Sohn des Bob), A. R. Rahman (in Indien und seit "Slumdog Millionaire" weltberühmt), Joss Stone (Blues) sowie Sir Mick, auch Jagger genannt, Mitgründer, Chef und unerreichter Sänger der in esoterischen Zirkeln geschätzten Rolling Stones.

Dieses Konglomerat divergierendster Künstler bildet seit einigen Monaten eine vielberaunte, so genannte Supergroup, die sich so super findet, dass ihr vor lauter Superei nur der dämliche Name SuperHeavy (ja, einschließlich der feministischen Binnenmajuskel) eingefallen ist. Diese Gruppe SuperHeavy hat jetzt unter dem Titel "SuperHeavy " ein Album herausgebracht, das mit einem Stück beginnt, das - quelle surprise! - SuperHeavy heißt. SuperHeavy bedeutet auf Deutsch übrigens "mordsmäßig cool".

Im Video zu dem Song "Miracle Worker" sieht es allerdings ziemlich cool aus, wie ein älterer Herr in einem diddlfarbenen Anzug durch die Kulissen eines weiteren unvollendeten Terry-Gilliam-Films spaziert und sich die Gang für das supere Album zusammenholt. Der rosane Herr ist natürlich der liebe Mick Jagger, dem das Wunder gelungen ist, lauter Herrschaften zu finden, die sich in ihrem Fach (Gitarre und Produktion, Reggae, Janis Joplin, Bollywood) bereits hervorgetan haben, zusammen aber nur eine Melange aus Weltmusik und generationenübergreifendem Dutzendrock anrühren können.

Eine Band wie eine Marktstrategie

Schon vor zweieinhalb Jahren fand man sich in einem Hollywood-Studio zusammen, um zu jammen, ein bisschen zu experimentieren und "ein paar gewichtige Songs" aufzunehmen. Der junge Marley brachte den Geist seines Vaters mit, scheint aber die jamaikaübliche Zehrung zu Hause gelassen zu haben. Die Musik der gewichtigen Herrschaften ist nämlich nicht einmal müde, wie im Reggae schöne Vorschrift, sondern bloß so kompress, wie es der globale Markt verlangt.

Es ist, als hätte ein großer Stratege, sagen wir, ein abgebrochener Student der London School of Economics, auf einem Zettel schnell zusammengeschrieben, was es alles braucht, um möglichst viele Marktsegmente zu bedienen. Ein Album ist dabei herausgekommen, das in jede Sammlung passt, weil es selber eine Sammlung aller kurrenten Stilrichtungen, aber sonst nichts Richtiges ist. Schuld daran sind natürlich die mordsmäßig coolen Superstars, die alle das Ihre dazugeben müssen.

Immer wenn der leidgeprüfte Hörer meint, jetzt kommen sie aber vom Fleck, die Brüder (und die eine Schwester) - bei "Never Gonna Change" zum Beispiel, jetzt klingt Mick Jagger wirklich wie der Bluessänger, der 1969 mit "No Expectations" auf dem Bahnhof stand oder zum Kinderchor versicherte, dass man doch nicht immer alles kriege, was man wolle - suppt wieder der überproduzierte Sound-Tsunami aus den Lautsprechern und schwemmt das karge Arrangement weg. Leute, echt, muss das denn sein?

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Bilder.

Gewichtig ist das ja. Das Album plätschert großmögend dahin, es kreischt und raunzt und sülzt und schmarrt aus allen Ecken und Enden und wird nichts Ganzes und nicht mal ein Viertel. Dafür kommt der übliche leicht sozialkritische Pop-Schwachsinn, wenn Jagger über die "Beautiful People" singt, was nicht ohne Reiz ist, da der Sänger fast gleichzeitig mit dem Erscheinen des Albums als Begleiter seiner Freundin L'Wren Scott Ehrengast auf der New York Fashion Week gesehen wird.

Der Altersabstand zwischen Mick Jagger (geboren 1943) und Joss Stone (1987) ist sogar noch größer als der zwischen Helmut Kohl (1930) und Maike Richter (1964), doch so gern unsereins dem alten Ritter das Duettieren mit der barfüßigen Gräfin der Baumwollfelder Süd-Londons gönnt, es funkt und zündet und brennt einfach nicht zwischen den beiden. Sie singen sich scheinerregt an, aber bei Jagger hört es sich nicht einmal greisenlüstern an, sondern nur altersdünnstimmig, wenn er um Joss Stone scharwenzelt, die ihrerseits schulmädchenhaft dem Lehrer zu gefallen sucht.

Die Superstars sind dann doch zu schwer, als dass ihre zusammengepanschte Musik irgendwas oder -wen bewegte. Wenn sie dann wieder gemeinsam, angeführt von Mick Jagger und getrieben von der Gitarre Dave Stewarts, "I Can't Take It No More"" singen, dann ist hier schon ziemlich gut die Reaktion formuliert, die das Bandenwerk auslöst.

Wie aus der Feder eines abgebrochenen Wirtschaftsstudenten

Textmäßig wirft Mick Jagger an einer Stelle immerhin ein paar Steine ins Wasser, und vielleicht ist das ein kleiner Hieb gegen die richtigen, mit denen er besser auf Tournee ginge, statt diese Art Allotria zu treiben. Schon wahr, es gibt reichlich bärtige Witze über das gewappelte Alter, das Jagger, Richards, Watts und Wood zusammen auf die Bühne bringen. Jede Falte von Keith ist längst besungen, auf Ron Woods leistungsfähige Leber wartet bereits eine Vitrine im Londoner Victoria & Albert Museum, Charlie Watts' unerbittlicher Rhythmus ist ebenfalls reichlich Gegenstand panegyrischer Lieder geworden.

Die Rolling Stones, diese einzig wahre Supergroup, die etliche Tote, einige Doppelzentner gemeingefährlicher Drogen und in manchen Nächten mehr Frauen als selbst Herakles verbraucht hat, darf nicht sterben, und schon gar nicht sollte sie einem Gentleman's Hobby wie SuperHeavy geopfert werden. Fazit fürs Archiv: Multikulti ist nicht gescheitert, es passt nur alles nicht so richtig zusammen. Mit anderen Worten: Satyameva Jayathe.

© SZ vom 20.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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