Neues Album von Prefab Sprout:Ein Dieb, der über Dächer schleicht

Prefab Sprout mit neuem Album

In den Neunzigern zog McAloon sich zurück und schlüpfte stattdessen in lila Anzüge.

(Foto: dpa)

Jahrelang war es still um die Band Prefab Sprout. Paddy McAloon, der hinter dem Projekt steht, benahm sich wie ein schrulliger Landadeliger in lila Anzügen. Nun schenkt die Gruppe dem Internet zehn neue Stücke - die Besten, die sie seit 15 Jahren veröffentlicht haben.

Von André Bosse

Zunächst glaubt man, es sei ein Scherz. Neue Musik von Prefab Sprout, zu hören nur online auf Youtube? Irgendwas passt da nicht, eine seltsame Divergenz zwischen Inhalt und Form. Nicht nur weil man weiß, dass Paddy McAloon - der nordenglische Sänger und Komponist, der hinter dem Projekt steht - das Internet nicht mag, es für einen Abgrund der grausam komprimierten Klänge und schlecht aufgelösten Bilder hält. Sondern auch, weil die Popmusik von Prefab Sprout selbst immer eine Qualität hatte, die sich im Beiläufigen, schnell Hoch- und wieder Runtergeladenen nicht fassen lässt. Eine gewisse Transzendenz. Die Aura einer Poesie, die zwischen Buchdeckeln am besten aufgehoben ist, obwohl sie mit heißen Wangen impulsiv geschrieben wurde.

Doch es stimmt: Zwischen TV-Mitschnitten und Katzenvideos funkeln seit Kurzem zehn bislang unbekannte Stücke, begleitet von einem Standbild, einer Zeichnung, die den jungen McAloon mit Hut darstellen könnte. Kurzzeitig waren die Lieder schon im Juni durchs Netz gegeistert, jetzt wirkt es sehr offiziell.

Über die Kanäle der Plattenfirma kam zeitgleich die Ankündigung, das neue Album "Crimson/Red" (das genau die zehn Youtube-Stücke enthält) solle im Oktober erscheinen. Ob es sich um wirklich neues Material des 56-jährigen Künstlers handelt oder um älteres, unveröffentlichtes, ist nicht klar. In einem so zeitlos konzipierten Musikuniversum scheint es keine große Rolle zu spielen.

Vor allem, weil die zehn Internetstücke zum Besten gehören, was man seit 15 Jahren von Prefab Sprout gehört hat. Zuletzt tendierten die immer vereinzelter auftauchenden Platten McAloons ja leicht zum Gefälligen, Entertainerhaften - die Vorabversion von "Crimson/Red" dagegen transportiert all die Wärme und Subtilität, das Paradox aus juveniler Fantasie und Altersweisheit, das seine größten Werke auszeichnete. Dieses eigenartige Gefühl, eben aus einem Traum erwacht zu sein und die besten oder traurigsten Szenen daraus noch durch die Realität schweben zu sehen. Songtitel: "The Best Jewel Thief In The World", "Grief Built The Taj Mahal", "Adolescence". Große, gute Versprechen.

Das Leben eines schrulligen Landadeligen

In den Achtzigerjahren waren Prefab Sprout noch eine richtige Band, verfolgten eine herkömmliche Karriere. Man spielte als Quartett, Sänger McAloon hatte was mit der Keyboarderin. Auch wenn andere Ästheten noch so sehr über die Dekade schimpfen: Paddy McAloon fühlte sich wohl in ihr. Er mag es, wenn Pop artifiziell klingt und trotzdem Seele besitzt. Wie bei Quincy Jones oder Prince, seinen großen Vorbildern.

Als die Welt in den Neunzigern authentische Rockmusik bevorzugte, zog sich McAloon zurück. Er schrieb und arrangierte weiterhin massenhaft Songs. Vollendete nichts, schmiss auch nichts weg. Führte in seinem Domizil in der Kleinstadt Durham südlich von Newcastle das Leben eines schrulligen Landadeligen. Fotos zeigten ihn in lila Anzügen, mit Gehstock und großen Hüten, halb Fritz J. Raddatz, halb Harry Rowohlt. Noch heute scheint er so auszusehen.

Die neuen Stücke - auch wenn wir nicht genau wissen, wie neu sie eigentlich sind - handeln vor allem von der Liebe zur Musik, seinem großen Thema. So wie Woody Allen darin aufgeht, mit klugen Frauen über Beziehungen zu reden, ist McAloon in seinem Element, sobald er nach Metaphern für die Musik und ihre Wirkung sucht. In "The Songs Of Danny Galway" zum Beispiel erzählt er, wie er 1991 den Songwriter Jimmy Webb in einer Bar in Dublin traf. Schwärmt an anderer Stelle über einen mysteriösen Liedermacher, der wie kein anderer die Welt in Bildern einfängt - und meint wohl Bob Dylan. Vergleicht seinen Job als Komponist mit dem eines Juwelendiebs, der katzengleich über die Dächer schleicht und die teuersten Klunker klaut: "Down below, down below/ What do any of those losers know?"

Er muss übrigens keine Angst haben, die Fans könnten sich jetzt schon online satt hören und dann im Oktober die Platte nicht mehr kaufen. In ihren Foren diskutieren die treuen, redlichen Prefab-Sprout-Freunde sogar darüber, wie sie es organisieren könnten, McAloon für legale Downloads alter Radiomitschnitte zu entlohnen. Ums Geld scheint es dem Mann aber eh nicht zu gehen. Sondern um das größte Glück des Popsängers: noch einmal zu klingen wie ein junger Mann.

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