Neues Album von "Muse":Huch, klingt das nach Rock?

Neues Album von "Muse": Wer braucht schon Maschinen? Muse haben sich für "Drones" wieder mal zu dritt in einen Raum gestellt - und einfach Musik gemacht.

Wer braucht schon Maschinen? Muse haben sich für "Drones" wieder mal zu dritt in einen Raum gestellt - und einfach Musik gemacht.

(Foto: Warner)

Das neue "Muse"-Album "Drones" erscheint heute. Warum findet Sänger Matthew Bellamy Maschinen schlecht? Ist ein Nachfolger von "Citizen Erased" darauf? Fünf Fragen, fünf Antworten.

Von Anja Perkuhn

Huch, klingt das etwa wieder nach Rock?

Für die Jüngeren unter uns (also die unter 30 Jahren): Muse waren nicht immer so bombastisch und elektro-hymnisch wie in den vergangenen Jahren. Mit "The Resistance" (2009) und "The 2nd Law" (2012) haben sie massiv an der Begründung der Musikrichtung New Prog mitgeschraubt - mit Orchestern, Elektronika und allerlei Effekten. Mit dem siebten Studioalbum wollen sie nun wieder zurück zu ihren Wurzeln: zum Alternative Rock.

Und, Taschentücher rausholen, es wird melancholisch: Die Briten hätten zuletzt "die Persönlichkeit des Trio-Gedankens fallengelassen", sagt Bassist Christopher Wolstenhome. Jetzt soll es also wieder darum gehen: Drei Typen in einem Raum, Musik spielend, die Kontrolle zurückerobernd - von all den Maschinen, die sie umgeben.

Ging es noch plakativer?

Nein. Schon das Cover zeigt, wo es hingehen soll: Eine anonyme Hand im Anzugärmel steuert einen vermenschlichten Joystick (oder einen verjoystickten Menschen), der wiederum mit einem Joystick Menschen steuert, die er nur auf einem Bildschirm sieht. Selbst das Büchlein "Interpretationshilfe für CD-Cover" könnte dem nichts mehr hinzufügen.

"Drones" ist von Anfang an als Konzeptalbum geplant - eine große moralische Reise durch das, was Matthew Bellamy sich unter der Zukunft vorstellt, wenn die Menschen weiter ihre Verantwortung an Maschinen abgeben und sich so von ihnen vereinnahmen und vermenschlichen lassen.

Muse Cover Drones

Zeigt, wo es hingehen soll mit dem Inhalt: das Albumcover zu "Drones" von "Muse".

(Foto: Warner)

Im März haben Muse vorab den Song "Psycho" veröffentlicht: ein musikalisches Abziehbildchen von einem Mann, der alle seine Gefühle verloren hat (auf dem Album geschieht das im ersten Lied: "Dead Inside") und sich nun in den Schoß der Army begibt. Und so einfach klingt diese Entwicklung gesungen: "Love / it will get you nowhere / You're on your own / Lost in the wild / So come to me now / I could use someone like you / Someone who'll kill on my command / And asks no questions."

Was gibt's zu hören?

Einige gute alte Freunde. Riffs aus "Stockholm Syndrome" (in "Psycho") und eine düster-feine Klangstimmung, die es zuletzt auf dem Album "Black Holes and Revelations" gab (zum Beispiel in "Mercy"). Hammond-Orgeln, jammernde Gitarrentöne, Bellamys Falsett-Stimme - es ist alles wieder da. Nicht ganz so raffiniert und detailverliebt wie auf den Alternative-Rock-Alben. Aber: vorhanden.

Für den Intellektuellen-Faktor und weil das immer geht, gibt es außerdem vor "Defector" - einem Lied mit der Aussage "Eine Gehirnwäsche wirkt bei mir nicht" - ein echtes Zitat von John F. Kennedy. Aus einer Ansprache über Pressefreiheit, die er 1961 vor der American Newspaper Publishers Association gehalten hat.

Was nervt?

Die Überkonzeptuierung, die Auf-die-Fresse-Texte. Matthew Bellamy will, dass man sich auf den Hintern setzt und andächtig das komplette Album anhört, um geläutert aufzustehen. Indem man dem Protagonisten des Albums folgt - von der Verzweiflung zur Aufgabe, bis er alles verliert, sich wieder aufrichtet, das Kämpfen beginnt, die Kontrolle zurückerlangt, sich befreit.

Was das aus "Drones" macht: eine musikalische Version der "Matrix"-Trilogie - bei der man auf der DVD den Off-Kommentar angeschaltet hat: "Falls Ihnen die Ironie entgangen ist: Die Menschen haben sich selbst zu abhängig von den Maschinen gemacht."

Bester Moment?

Wenn man es bis zum vorletzten Lied, zu "The Globalist" geschafft hat, wird es schön, mit Zuckerguss: Pfeifen am Anfang, Tarantino-Film-Stimmung, Bellamy-Seufzsingen, dann harte Bässe, ein perfekt passendes Schlagzeug, das gute, alte Klavier. Bisschen hymnisch, bisschen albern, mit Flugzeug-Geräuschen im Hintergrund. Kein Hit, aber was für Nostalgiker. (Und laut Bellamy die Fortsetzung des wohl besten Muse-Songs "Citizen Erased".)

Wird dieses Album die Welt ändern?

Seufz. Eigentlich hofft man das ja von jeder Art von Kunst ein bisschen. Und vielleicht gibt es da draußen ja wirklich noch einen Menschen, der nie zuvor darüber nachgedacht hat, dass der Einsatz von Drohnen den Krieg auf ein klinisches Level hebt. Aber, sorry Matthew: Die Welt bleibt auch nach diesem Album erst mal, wie sie ist.

Abgesehen davon, dass "Drones" zumindest laut Musikexpress auch noch ein Musical werden soll.

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