Neues Album von Carla Bruni:Bling-Bling & Pling-Pling

Eine wie sie gab es noch nie: Carla Bruni hat ein neues Pop-Album aufgenommen und tut, als ob nichts gewesen wäre. Sie singt von ihren dreißig Liebhabern und verärgert den kolumbianischen Außenminister.

Alex Rühle

Schon der Schritt vom Ex-Model mit aristokratischem Hintergrund zur Singer-Songwriterin war so ungewöhnlich, dass es für großen Medienrummel sorgte, 2001, als ihr erstes Album "Quelqu'un m'a dit" erschien.

Neues Album von Carla Bruni: Und dann singt und lächelt sie wieder: Carla Bruni.

Und dann singt und lächelt sie wieder: Carla Bruni.

(Foto: Foto: dpa)

Seit einigen Monaten aber ist Carla Bruni First Lady. Am heutigen Freitag erscheint ihr neues Album. Am Montag dann, am 14. Juli, dem wichtigsten französischen Feiertag wird Carla Bruni-Sarkozy das Ehrendefilee auf den Champs Elysées abnehmen.

Beide Male werden die Nachrichten mit ihr aufmachen, der einzige Unterschied wird sein, dass am Montag noch ein kleiner Mann neben ihr zu sehen sein wird.

Bei einer Umfrage des Express sagten kürzlich 55 Prozent, sie glaubten, dass Nicolas Sarkozy seine Gattin instrumentalisiere, um sein eigenes Image aufzupolieren. Ist es nicht eher umgekehrt? Sarkozy stürzt in den Umfragen immer tiefer ab, Bruni wird mittlerweile von über 60 Prozent der Wähler verehrt.

Schönheit vor Inhalt

Die Franzosen erinnern sich nicht daran, dass Sarkozy auf seinem Staatsbesuch in England eine Rede über die Gefahren und Segnungen des Kapitalismus hielt, sondern nur an ihren atemberaubend souveränen Auftritt als First Lady.

Und die Verzückung der Briten über Carla erinnerte an eines dieser Beatles-Konzerte, nach denen John Lennon frustriert fragte, wozu er überhaupt noch singe, man höre doch keinen Ton von der Musik. Bevor es hier so ähnlich wird, bevor also nur vom medialen Gekreisch um Bruni und ihr neues Album die Rede ist, zwei Takte zur Musik.

"Comme si de rien n'etait" ist musikalisch nicht sehr interessant. Bruni singt mit dieser ihr eigenen sommerseidigen Stimme, einer Art akustischem Negligee, durchsichtig, gehaucht, verweht, eine Stimme, die oftmals von der eigenen Sensibilität erschöpft zu sein scheint.

Man muss nicht soweit gehen wie die Rezensentin des Telegraph, die in diesem Tonfall eine "Softcore-Tradition" erkennen will, aber es ist schon ein merkwürdiges Schönheitsideal, dem viele französische Sängerinnen von Jane Birkin bis zu Coralie Clement huldigen, dieses halbinfantile, halbdevote Schnurren, so eine Mischung aus "Könnten Sie mir mal helfen, die Schuhe zuzubinden" und "Jetzt mach endlich mein Mieder auf!"

Der Text zu "Je suis un enfant" kommentiert genau diese Art zu singen: "Ich bin ein Kind, trotz meiner vierzig Jahre, trotz meiner 30 Liebhaber, ein Kind." Dazu hat Bruni Robert Schumanns erstes Stück der Kinderszenen gecovert und mit hüpfenden Synthesizerakkorden zu einem Karusselliedchen gemacht.

Carla Obama

Zu dieser Stimme passte das einfache Flair ihrer ersten CD perfekt, die mit ihrem leisen Geplonker klang, als hätte da ein nettes Mädchen mit seiner Gitarre zu Hause etwas aufgenommen. Jetzt aber: Hörner, Klarinetten, Vibraphone, Querflöten zuweilen ein Bläsersatz, der wohl an "Sergeant Pepper" erinnern soll.

In ihrer kompositorisch bemerkenswert austarierten Mischkalkulation erinnert die CD an den Werbecoup Barack Obamas, der kürzlich die Playlist seines iPods ins Netz stellte, und auf dem dann für jede Wählerschicht ein paar Songs dabei waren.

Durch Brunis elf selbstgeschriebene Songs schwebt ein wenig Country-Folk, manches klingt nach Françoise Hardy und verwehtem Zigarettenrauch, es gibt weiche, abgeschliffene Jazzakkorde und Bluegrass-Plingpling.

Ferner covert Bruni Bob Dylan, eine Interpretation von Francesco Guccinis "Il veccio e il bambino" erinnert den Zuhörer an ihre Herkunft, und dann wird noch ein Houellebecq-Gedicht vertont: "Wenn zwei Körper ihr Glück genießen / und sich immer und immer wieder vereinigen . . ." Frankreich zerreißt sich natürlich das Maul darüber, ob das jetzt der Körper des Präsidenten ist, der sich da vereinigen darf.

Als ob nichts gewesen wäre

Das Interessanteste an dem Album ist sein Titel. "Comme si de rien n'etait", die Platte tut, als ob nichts sei, als ob sich nichts im Leben dieser Liedermacherin geändert hätte.

Auf dem Cover läuft die Musikerin ganz privat durch menschenleere Natur und in der ausführlichen Biographie auf ihrer Webseite wird mit keinem Wort die dramatische Veränderung in ihrem Leben erwähnt. Da wirkt es fast schon wie ein Witz, dass das Label, auf dem die Präsidentinnen-CD erscheint, auch noch "Naïve" heißt.

Die Platte wird natürlich nicht rezipiert, comme si de rien n'etait. Alle Zeitungen machten mit ihr auf, die Libération räumte die ersten sechs Seiten für ein Interview mit Bruni frei. Nun kann man bei der Libération, anders als bei Le Monde nicht von einer Einflussnahme des Präsidenten ausgehen, der Besitzer des Verlags, Edouard de Rothschild gilt als Persona non grata im Elysée.

Président Bling-Bling

Mit einem aus dem Jargon des Rap entlehnten Begriff für den Hang zu protzigem Goldschmuck ließ er Sarkozy auf der Titelseite als "Président Bling-Bling" karikieren, ein Name, der an ihm haften blieb. Dennoch ist es hanebüchener Unsinn, wenn die Libération ihre Sonderausgabe damit begründet, dass Bruni nunmal eine herausragende Sängerin sei.

Ach ja, und außerdem sei sie ja Präsidentengattin, aber das, Ehrenwort, habe nun wirklich nichts mit dieser monothematischen Aufmachung zu tun. Finanziell hat sich der Coup gelohnt, die Zeitung verkaufte an dem Wochenende 50 Prozent mehr als sonst.

Carla Bruni betonte in dem Interview mehrfach, sie sei nichts als eine Sängerin. Sie mag das so empfinden, als aber der Figaro vorab aus dem Liebeslied "Tu es ma came" (Du bist meine Droge) die Liedzeile "Tu es plus dangereux que la blanche colombienne" druckte (Du bist gefährlicher als die weiße Kolumbianerin, also Kokain), beschwerte sich der kolumbianische Außenminister, Fernando Araujo.

"Es ist äußerst schmerzhaft, solche Worte aus dem Mund der Präsidentengattin zu hören", schrieb Araujo und machte damit klar, dass das eben nicht so einfach ist mit der Rollenteilung: Carla Bruni mag Popstar sein, ihre Texte werden ab sofort immer auch als offizielle Statements gelesen. Sie stellte eilig klar, "Tu es ma came" sei kein Plädoyer für die Freigabe von Cannabis, und sie selbst sei strictement gegen Drogen.

Der Soziologe François-Bernard Huyghe schreibt, Bruni habe an der Seite Sarkozys in wenigen Monaten drei Rollen durchgespielt: Erst sei sie wahrgenommen worden als neue Trophäe des Präsidenten, der sich ja gerne - bling-bling - mit Milliardären und protzigen Statussymbolen umgibt.

Dann sei sie zur strahlenden Ikone aufgestiegen, da sie ihre Rolle als Präsidentengattin auf den England- und Israelreisen so überraschend stilvoll bekleidete. Jetzt erfinde sie sich neu als Staats-Star. Das mag sein, das wirklich Spannende an ihr aber ist, wie sie selbst die verschiedenen Rollen souverän und verwirrend miteinander mischt.

Schlüpfrige Details

Vor wenigen Wochen erschien "Carla et Nicolas, la véritable histoire", das Buch zweier Journalisten, das sich nur mit der Beziehung der beiden beschäftigt. Erstaunlich ist nicht, dass ein solches Buch auf den Markt kommt, sondern nur die Tatsache, dass Bruni sich mit den beiden Autoren getroffen hat und selbst auf der einen Seite die züchtige Präsidentengattin gibt, auf der anderen Seite aber über die Duckmäuser im Elysee herzieht und lauter anzügliche Details über ihre Beziehung zum Besten gibt.

So erzählte sie, wie sie einmal mit der ledigen Justizministerin Rachida Dati durch ihre privaten Räume im Elysee lief, auf das Doppelbett im Schlafzimmer deutete und triumphierend lächelnd sagte: "Da würdest du selbst gerne drin liegen, stimmt's?"

Auf der CD spielt sie ebenfalls mit ihrer früheren Rolle als Femme Fatale (sie war unter anderem liiert mit Mick Jagger, Eric Clapton, Kevin Costner, Donald Trump und Sean Connery), feiert dann aber in "Ta Tienne" die Monogamie, wirft sich ihrem Mann zu Füßen und spielt in einer einzigen Zeile ihre drei Rollen durch: "Du bist mein Seigneur, Du bist mein Cheri, Du bist meine Orgie."

Emanzipation im Regierungssitz

Als am Mittwoch die Songs im Internet freigeschaltet wurden, rief sie die Präsidentengattinnen in aller Welt dazu auf, nicht nur als optisches Anhängsel zu fungieren, sondern selbst Karriere zu machen. Ihr selbst habe da Cherie Blair geholfen, die ja auch berufstätig gewesen sei während der Amtszeit ihres Tony.

Live wird man Carla Bruni mit diesem Album nicht erleben können: Eine First Lady auf Konzerttournee, das geht dem Elysée dann doch zu weit. Fragt sich, wie lange sie sich daran hält. Und eine diabolisch interessante Vorstellung ist ja, wie uralt Nicolas Sarkozy, dem sie in "Je suis un enfant" immerhin hinreibt, dass er ihr 31. Mann ist, aussehen würde, wenn Carla Bruni ihrer Rolle als First Lady überdrüssig würde.

Hörprobe der neuen CD: http://www.carlabruni.com/

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