Süddeutsche Zeitung

Neues Album von Antilopen Gang:"Deutschland soll ein riesiger Krater werden"

Die Band Antilopen Gang gilt als linkes Gewissen im Hip-Hop. Und sagt gleichzeitig: "Musik hat das Recht, belanglos und blöd zu sein." Eine Atombombe wollen sie auch werfen: auf die BRD.

Interview von Antonie Rietzschel

Mit Beate Zschäpe hört U2 wurde die Band Antilopen Gang bekannt - auch, weil sie sich dabei mit dem Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen anlegte. Nun haben Koljah, Danger Dan und Panik Panzer Anarchie und Alltag vorgelegt. Auch ihr zweites Album ist sehr politisch. Gleichzeitig aber auch hochgradig eskapistisch - und manchmal auch einfach nur Dada. Sie rappen über Rechtsextreme und Islamisten. Aber auch über Pizza als letzte Rettung der Welt. Das ist zuweilen ganz schön traurig, aber auch saukomisch.

SZ: Nach Aversion haben Sie jetzt Ihr zweites politisches Album herausgebracht. Sie behandeln aktuelle Themen wie islamistischen und rechtsextremen Terror. Wen wollen Sie im Wahljahr 2017 damit erreichen?

Koljah: Niemanden. Wir haben keine politische Programmatik - aber natürlich eine Meinung.

Danger Dan: Bei uns funktioniert das eher über Abgrenzung.

Abgrenzung wovon?

Koljah: Von Leuten, die sich nicht mehr als Individuen sehen, sondern anfangen, sich als Volksgruppe zu definieren. Das sieht man bei Rechten, aber auch Linken. Ich bin für individuelle Freiheit.

Danger Dan: Es gibt aber auch Gruppen, mit denen ich zurechtkomme - etwa die Gruppe der Raucher und Schnapstrinker. Das sind meine Freunde.

Koljah: Da sind auf jeden Fall nicht allzu viele Islamisten dabei. Aber im Ernst: Eigentlich steht der Gegner überall und nirgends. Man findet ihn unter Extremisten - aber auch in der Mitte der Gesellschaft. Deswegen finde ich immer etwas, wovon ich mich abgrenzen kann. Das macht es leichter.

Machen Sie es sich damit nicht zu leicht?

Koljah: Kritik muss nicht konstruktiv sein. Wenn ich sie äußere, muss ich nicht gleich den Gegenentwurf liefern. Das ist auch nicht mein Anspruch.

Versuchen wir es trotzdem mal: Brexit, die Wahl von Trump, brennende Flüchtlingsheime und Terroranschläge. Das Jahr 2016 hat ganz schön weh getan. Was können wir machen, damit 2017 besser wird?

Panik Panzer: Beten.

Danger Dan: Unser Album kaufen, zu unserer Tour kommen. Das hilft. Teil der Antilopen werden, Teil einer Gemeinschaft, die sich wie eine Familie anfühlt. Oder die große Liebe finden.

Ist es nicht Zeit, sich auch als Künstler politisch zu positionieren? Sie machen das ja bereits - aber müsste nicht auch der musikalische Mainstream klare Kante zeigen?

Koljah: Ich würde mir das nicht wünschen, mit dem Ergebnis wäre ich häufig unzufrieden.

Danger Dan: Musik hat das Recht, belanglos und blöd zu sein und einfach ein gutes Gefühl zu erzeugen. Ich kann mir nicht den ganzen Tag Leute anhören, die meckern, die Vorträge darüber halten, wie scheiße die politische Situation ist. Ich will auch einfach mal Die Doofen hören. Wir machen ja auch abstruse Lieder, danach fragt uns nur keiner.

Können wir uns Belanglosigkeiten in diesem Wahljahr wirklich leisten?

Danger Dan: Das kann man sich genauso leisten wie in den letzten Jahren. Wer meint, er müsste sich angesichts der aktuellen Lage politisieren, der hat einiges verpasst. Der Syrienkrieg ist älter als 2017. Die Flüchtlinge sind nicht erst seit diesem Jahr unterwegs. Auch 2015 wurden Geflüchtete von deutschen Vollidioten verprügelt. Das war alles abzusehen.

Koljah: Wenn man ein gutes Leben zelebriert, dann positioniert man sich ja auch. Nach den Angriffen auf ein Rock-Konzert in Paris oder den Breitscheidplatz in Berlin kann es auch ein Statement sein, weiter auf Rock-Konzerte zu gehen oder auf den Weihnachtsmarkt.

Danger Dan: Eskapismus hat auch im Ursprung des Hip-Hop eine wichtige Rolle gespielt. In den USA ist Hip-Hop als Partymusik entstanden. Schwarze, die angesichts von Rassismus, Verelendung und Kriminalität gute Gründe gehabt hätten, sich aufzulehnen, rappten: "Throw your hands in the air, and wave them like you just don't care".

Im Laufe der Zeit hat sich Hip-Hop politisiert - auch in Deutschland. Wie gespalten ist die Szene?

Danger Dan: Es gibt Rechtsextreme, die Hip Hop machen, Linksradikale, homophobe Spinner. Es gibt aber auch queeren Hip-Hop.

Wo steht die Antilopen Gang?

Danger Dan: Wir sind unsere eigene Schublade - dort sind wir die Kings.

Das glaubt Bushido auch.

Danger Dan: Aber bei uns stimmt das.

Sie haben sich 2003 als Anti-Alles-Aktion zusammengetan. Ihr Anspruch war es, politische Texte zu machen, Ihre Lieder wurden bei Antifa-Veranstaltungen gespielt. Zwischendurch haben Sie aber eine Pause eingelegt. Koljah machte Battle Rap. Warum?

Danger Dan: Zu unseren Konzerten kamen Leute, die das als politisches Event gesehen haben. Die wollten, dass wir "Nazis raus" rufen. Mit unserer Musik konnten die nichts anfangen. Das war eine komische Stimmung.

Panik Panzer: Wir hatten das Gefühl, dass wir unsere Musik nur in einem geschlossenen Raum präsentieren, wo jeder die Parole eh kennt. Nichts von unserer Message ist nach außen gedrungen. Wir hatten dann eher Lust zu pöbeln.

Koljah: Erst mit Beate Zschäpe hört U2 haben wir wieder ein explizit politisches Stück gemacht. Nach der Entdeckung des NSU wollten wir uns nicht mehr nur in ironischen Witzen verlieren, sondern Position beziehen.

Sie waren in der berühmten Filterbubble - hat sich das wirklich verändert? Zu Ihren Konzerten kommen ja vorrangig Leute, die auf Ihrer politischen Linie sind.

Panik Panzer: Dagegen habe ich per se nichts. Aber das Publikum ist heterogener geworden. Vor zehn Jahren bestand bei einem Konzert die erste Reihe aus drei Schwarzvermummten und zwei Hunden. In Wiesbaden vor zwei Jahren sahen wir uns 20 kreischenden Teenagern gegenüber. Ich habe mich selbst nicht mehr rappen gehört, so laut waren die.

Koljah: Es gibt Begegnungen, die sonst nicht möglich wären. Jemand mit Tupac-Shirt steht neben einem, der das Shirt einer queeren Punkband trägt. Beide singen unsere Texte mit.

Danger Dan: Mich hat neulich jemand angeschrieben und gefragt, warum ich in einem Video mit einem Mann knutsche. Das sei doch gegen die Natur. Auch das war irgendwie ein Fan von uns. Ich habe ihn allerdings geblockt.

Zurück zur Politik: Dieses Jahr ist Bundestagswahl. Panik Panzer, Sie waren lange überzeugter Nichtwähler. Warum?

Panik Panzer: Ich hatte die Argumentation meiner linken Genossen übernommen, dass Wahlen nichts bringen - sonst wären sie verboten.

Danger Dan: Du klingst wie ein Mitläufer.

Panik Panzer: War ich auch. Ich habe übernommen, was mir gepredigt wurde. Heute denke ich, dass es ein Privileg ist, wählen zu dürfen. Einmal habe ich Die Partei gewählt aber grundsätzlich fühle ich mich von keiner Partei repräsentiert.

Danger Dan: Ich finde es schwierig, das zu sagen. Denn auch die neuen Rechten argumentieren, dass sie sich von keinem repräsentiert fühlen. Sprechen vom Berliner "Marionettentheater". Eigentlich will ich mich von denen abgrenzen - aber auch ich bin Nichtwähler. Die Partei ist mir zu lustig für eine so ernste Angelegenheit. Die Linke ist auch keine Option. Gerade gibt es für mich zwischen Sahra Wagenknecht und Beatrix von Storch zu viele Parallelen. Ich bin für die Revolution - und die kann man durch Wahlen nicht herbeiführen.

Bleibt also nur noch über Deutschland eine Atombombe abzuwerfen, wie es in einem Ihrer Songs heißt?

Koljah: Die Atombombe ist eine realpolitische Maßnahme, wie wählen gehen.

Was kommt danach?

Koljah: Wir beschreiben das im Song Baggersee. Die Atombombe ist Mittel zum Zweck, um ein riesiges Naherholungszentrum zu schaffen. Deutschland soll ein riesiger Krater werden, den man mit Wasser füllt. Dann kann man da Skateboard fahren, sich sonnen, schwimmen, Tretboot fahren. Das erscheint uns die angemessenere Alternative für Deutschland.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3340084
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/cag/sks
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.