Süddeutsche Zeitung

Neues Album der Band "Bilderbuch":Schicker Schock

Jetzt riskieren wir mal ein bisschen was, eh klar, sonst hat ja alles gar keinen Sinn: Das fabelhafte neue Album der österreichischen Band "Bilderbuch" ist Popmusik, wie sie sehr, sehr selten entsteht.

Von Jens-Christian Rabe

Nach dem fabelhaften Debüt "Amore" von Wanda ist das neue Album der Elektro-Indiepop-Band Bilderbuch mit dem schönen Titel "Schick Schock" (Maschin Records) jetzt schon die zweite Veröffentlichung einer jungen österreichischen Band innerhalb von ein paar Wochen, die einen wirklich glücklich macht.

Und so will man von der Rettung der deutschsprachigen Popmusik faseln in Zeiten ihrer Schockfrostung durch Hammerhart- und Windelweichreim-Spezialisten wie Bushido oder Helene Fischer. Aber die Frage ist natürlich auch, wen derlei Sorgen ernsthaft kümmern sollen. Es gibt derzeit doch bedeutsamere Dinge, die der Rettung bedürfen.

Es reicht im Fall von Bilderbuch ausnahmsweise einfach aus, wenn man annimmt, dass man es mit Popmusik zu tun hat, wie sie sehr, sehr selten entsteht. Und bevor man sich auf dieser Seite der Alpen fragt, was das nun mit Österreich im Allgemeinen oder Wien im Besonderen zu tun haben mag, insbesondere mit den feinen Klischees von "Schmäh" und "Lässigkeit", bevor man sich also zu so etwas verführen lässt, sei an ein paar Worte des Bilderbuch-Sängers Maurice Ernst erinnert, die er dem deutschen Rolling Stone vor Kurzem in den Block diktiert hat: "Wir österreichischen Bands sind größer als euer kleines, kleines System!" Wobei damit nicht das deutsche System gemeint war, sondern das österreichische.

Mit anderen Worten, all den Deutschen, die jetzt staunend "Schick Schock" hören und sich dabei fragen, wie diese Österreicher so was hinkriegen, denen sei gesagt: Die Jungs von Bilderbuch sind eher der Ansicht, eine Art Anomalie zu sein in einem System, in dem insbesondere der Österreichische Rundfunk gute Popmusik eher verhindere als fördere.

Geschafft hätten sie es, wenn schon, gegen dieses fiese kleine Medienkartell. Und im Grunde ist es ja auch vollkommen egal, ob man in der Kunst etwas tribalisieren und historisieren kann. Damit wäre ja nur gesagt, dass es sich von etwas anderem nicht unterscheidet.

Gnade allen, die sich dereinst an einer Cover-Version versuchen

Worauf es hier jetzt aber ankommen soll, ist, wie sich Bilderbuch ganz gewaltig unterscheiden - abgesehen davon, dass es ein feine, sehr informierte, funky Indiepop-Band ist, die rocken und rollen kann, und stolpern und poltern. Und was wäre besser geeignet dafür als die schönen ersten Zeilen aus dem Titelsong "Schick Schock": "Sag es laut / Jaul es raus / Gib es zu / Du bist hinter meinem Hintern her."

Es gibt ungefähr drei Millionen Möglichkeiten, sich damit in Grund und Boden zu blamieren. Und womöglich genau nur eine einzige, damit durchzukommen. Die von Maurice Ernst und Bilderbuch. Gnade allen, die sich dereinst an einer Cover-Version des Songs versuchen.

Aber was genau da passiert (und in Songs wie "OM" oder "Plansch"), lässt sich mit Worten wohl nur über einen kleinen Umweg erläutern. Dem Rolling Stone sagte Ernst nämlich auch den Satz: "In dem Moment, wo Du mit blau gefärbten Haaren auf einem Lamborghini hin- und herrutschst, ist das für mich ein politischer Akt." Es ging dabei um das, was im ebenfalls recht unglaublichen Video zum Bilderbuch-Song "Maschin" passiert.

Er rutscht im Clip also mit blau gefärbten Haaren auf einem gelben Lamborghini herum - und es ist eben weder platte Konsumkritik, noch eine billige Parodie auf den Protzpop. Es schlittert eher souverän dazwischen hin und her, und Maurice Ernst blickt einen dabei an. Ungefähr so: distanziert, aber bereit, gleich ein bisschen was zu riskieren, ganz cool etwas spektakulär Lächerliches zum Beispiel. Weil er weiß, dass wir wissen, dass er weiß: dass, eh klar, sonst alles ja überhaupt gar keinen Sinn hat. Ein schicker Schock, kein Zweifel. Na gut, wo gibt's schon solche Typen - außer in Wien?

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SZ vom 03.03.2015/pak
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