Neuerwerbung:Großer Auftritt am Königsplatz

Seit 25 Jahren engagiert sich der Förderverein des Lenbachhauses für das städtische Museum. Kürzlich hat er ein Gemälde von Marianne von Werefkin gekauft, um die Sammlung zu erweitern

Von Evelyn Vogel

Es wird noch ein Weilchen dauern, bis das 1910 entstandene Gemälde "In die Nacht hinein" von Marianne von Werefkin im Lenbachhaus seinen ersten großen öffentlichen Auftritt in München haben wird. Dass es dazu kommen wird, ist jedoch sicher. Denn der Förderverein des Lenbachhauses hat das Bild aus Anlass seines 25-jährigen Bestehens gekauft und es dem Museum am Königsplatz geschenkt.

Gegründet 1993 und aufbauend auf die ein Jahr zuvor ins Leben gerufene "Jubiläumsstiftung der Deutsche Bank", war der Förderverein von Anbeginn darauf ausgerichtet, Bürgern, aber auch Wirtschaftsunternehmen, eine Identifikationsmöglichkeit mit einer städtischen Kulturinstitution zu bieten. Die Gründer waren Dieter Soltmann, damals Präsident der Industrie- und Handelskammer, Reinhard Wieczorek, zu jener Zeit Referent für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München, und Michael Endres, seinerzeit Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Qua Amt als Direktor des Lenbachhauses war Helmut Friedel mit dabei, außerdem der Jurist Bernd Mittelsten Scheid sowie die Galeristen Bernd Klüser und Walter Storms, Wilhelm Wimmer (ebenfalls IHK-Mitglied) und Georg Oswald als Vertreter der Jubiläumsstiftung Deutsche Bank. Im Laufe der zurückliegenden 25 Jahre hat der Verein nicht nur die Präsentationsmöglichkeiten immer wieder verbessert - allein für den Um- und Neubau des Lenbachhauses stellte er 2,5 Millionen Euro bereit -, er hat auch den Sammlungsbestand kontinuierlich durch Ankäufe, Schenkungen und Dauerleihgaben erweitert. Und er ist selbst größer geworden und zählt mittlerweile mehr als 300 Mitglieder.

Nun also hat der Förderverein das Werefkin-Gemälde erworben, ein Bild, das nicht nur formattechnisch zu den anspruchsvollen Werken der russischen Künstlerin gehört. Die Darstellung des ungleichgewichtigen Geschlechterverhältnis einer in die Ecke gedrängten Frau in einer Bühnensituation, bedrängt von einem mit Herrschersymbolen gekennzeichneten Mann, bringt ein Lebensthema Werefkins auf die Leinwand: die menschliche Existenz und ihr Ausgeliefertsein an innere wie äußere Kräfte. Sieht man das Bild heute vor dem Hintergrund der "Me Too"-Debatte an, wirkt es so aktuell, als seien nicht mehr als 100 Jahre vergangen.

40 Jahre

lang befand sich das Bild "In die Nacht hinein" von Marianne von Werefkin in einer Schweizer Privatsammlung. Dann tauchte es auf dem Kunstmarkt auf. Der Förderverein des Lenbachhauses hat es nun erworben und dem Museum geschenkt.

Als Werefkin es 1910 malte, lebte sie schon einige Jahre mit Alexej Jawlensky in München zusammen, hatte sich einen Namen als expressionistische Malerin gemacht und besuchte zusammen mit Jawlensky häufig Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in Murnau, wo die Künstlerpaare gemeinsam malten. Sie gehörte zu den Gründern der Neuen Künstlervereinigung München (NKVM), dessen Vorsitzender 1909 Kandinsky war und die als Vorläufergruppe des Blauen Reiter gilt.

Im September 1910 wurde "In die Nacht hinein" auf der zweiten NKVM-Ausstellung in der Galerie Thannhauser in München gezeigt. Werefkin war noch mit fünf weiteren Bildern vertreten, doch dieses Bild wurde als eines der wenigen von 115 Werken der Ausstellung im Katalog abgebildet. Ein Beleg der Wertschätzung dieser Künstlerin, die ihre Karriere jahrelang zugunsten ihres Lebensgefährten Jawlensky hintangestellt hatte - der sie als Dank dafür mit dem Hausmädchen betrog und später verließ. Mit dem Katalogeintrag und der Schwarz-Weiß-Aufnahme von 1910 beginnt die Provenienzgeschichte des Bildes. Auf der Rückseite finden sich unter anderem Etiketten der Neuen Künstlervereinigung, der Galerie Thannhauser, des Kunstvereins Bremen, des Museo Comunale Ascona, des Leihgebers Ernst Häberlin, Wädenswil.

Neuerwerbung: "Me Too" vor mehr als 100 Jahren? Das Bild "In die Nacht hinein" von Marianne von Werefkin.

"Me Too" vor mehr als 100 Jahren? Das Bild "In die Nacht hinein" von Marianne von Werefkin.

(Foto: Städt. Galerie im Lenbachhaus)

Schon 1999 hatte das Lenbachhaus im Vorfeld der Ausstellung "Der Blaue Reiter und das Neue Bild. Von der Neuen Künstlervereinigung München zum Blauen Reiter" nach dem Gemälde gesucht. Es blieb unauffindbar. Wie sich jetzt herausstellte, befand es sich mehr als 40 Jahre lang - von 1969 bis 2013 - in Schweizer Privatbesitz. Als es nun im Kunsthandel angeboten wurde, zögerte der Förderverein des Lenbachhauses unter seinem derzeitigen Vorsitzenden Alexander Mettenheimer nicht lange und erwarb dieses Hauptwerk Marianne von Werefkins, um die Sammlung des Museums zu erweitern.

Öffentlich zu sehen sein wird es in der für Oktober kommenden Jahres geplanten Ausstellung "Lebensmenschen - Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin". Dann wird "In die Nacht hinein" seinen großen Auftritt haben.

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