Schon seit Wochen kursierte das Gerücht, Lana Del Rey wolle sich mit ihrem kommenden Album "Ultraviolence" von der symphonischen Nostalgie und ihrem Priscilla-Presley-Look verabschieden und sich am Rock 'n' Roll versuchen. Sie soll in Lederjacken auftreten, so wie in ihrem neuen Video "Westcoast", und über Parliament-Zigaretten singen, die in Amerika von jungen und alten Wilden wie Hunter S. Thompson oder Lindsay Lohan geraucht werden, auch weil man als Zweitverwertung mit einem Parliament-Filter Kokain schnupfen kann.
Deutlichster Hinweis darauf, dass sie sich nun neu erfindet ist, dass "Ultraviolence" nicht in den Hollywood Hills mit Blick aufs Hotel Château Marmont produziert wurde, sondern in der Country-Hochburg Nashville von Dan Auerbach, der einen Hälfte des Bluesrock-Duos Black Keys. Lana ist auf dem Cover mit besagter Parliament-Zigarette und geschlossenen Augen zu sehen. Die Haare hängen ungeföhnt ins Gesicht. Der wohl größte Bruch in der bisherigen Del-Rey-Blow-Out-Frisur-Ikonografie.
Welche Chiffren hat man also von Lana Del Reys Konzert in San Francisco im ausverkauften Bill Graham Civic Auditorium zu erwarten? Hell's Angels aus Oakland? Oder doch die eleganten Hipster, die vor zwei Jahren noch Lanas Musik etwas geschmäcklerisch goutierten und sich über ihre Lippengröße beschwerten?
Weder Hells Angels, noch Hipster. Am Eingang sitzt ein vielleicht vierzehnjähriges Mädchen auf dem Boden und lädt ein iPhone, mit dem es gleichzeitig telefoniert und ein Selfie fotografiert. Es legt dafür den Kopf zur Seite und greift mit seiner Hand durch sein Haar, um die Instagram-Performance per Foto zu erhöhen. Das ist die neue Bürgerin der USA, die Lana verehrt. Ein Social-Media-besessener Selbstdarstellungsprofi, der Probleme mit Aufmerksamkeit hat. Das Mädchen verpasst wegen des Multitaskings mit dem iPhone den magischen Moment, als Madame Del Rey die Bühne betritt. Die bewegt den weiblichen Teil dieses Landes, sie schüttelt ihn durch, bis man vor echtem Schwindel nichts mehr posten kann.
Die Beautyqueen-Frisur ist verschwunden
Vor der Bühne warten etwa 5000 Mädchen im Alter von 13 bis 21, viele mit Blumenkränzen im Haar, wie Lana sie einst trug. Dazu: abgeschnittene Jeans-Shorts, sogenannte "Daisy Dukes", die Lana ausschließlich mit Converse-Turnschuhen kombinierte. Zusammen mit bestimmt eintausend Schwulen schreien sich die 5000 Mädchen nur drei Sekunden nach Lanas Erscheinen die Seele aus dem Leib. Nur die circa 500 heterosexuellen Jungs sehen die Sache gelassener und verschränken erst einmal die Arme. Niemand kümmert sich um sie.
Es stimmt also. Lana hat sich vom Vintage-Göttinnen-Image verabschiedet. Sie ist nun eine Dame, trägt ein weißes Spitzenkleid bis zum Knie, beim nächsten Auftritt auf dem Coachella Festival wird es rot sein. Sie läuft barfuß auf und ab, die Beautyqueen-Frisur ist verschwunden. Im Applausgewitter setzt sich sie sich kurz auf ihren Emanuelle-Korbsessel, doch dann geht es los. Mit "Cola", einem Song aus Lanas Lolita-Vergangenheit: "My pussy tastes like Pepsi-Cola, my eyes are wide like cherry pies, I got a taste for men who're older, it's always been, so it's no surprise." 5000 Mädchen drehen durch. Sie sind bereit, wegen "Cola" vor Lana in Ohnmacht zu fallen und dabei ihr Telefon zu verlieren.