Polanski-Film: Carnage:Das schreckliche Schicksal eines Hamsters

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Kate Winslet als Zicke, eine verklemmte Jodie Foster und Christoph Waltz als beinharter Zyniker: In Frankreich, wo er sich sicher fühlt, dreht Roman Polanski seinen neuen Film "Carnage" mit Starbesetzung.

Tobias Kniebe

Lebenslügen, uneingestandene Aggressionen, Konflikte auf engstem Raum - und das schreckliche Schicksal eines Hamsters. Das ist der Stoff für Roman Polanskis nächsten Film, und man kommt kaum umhin, diese Wahl seltsam passend zu finden.

Die Schweiz entschied sich im Juli 2010 dagegen, Roman Polanski wegen des oft beschriebenen Sexualdelikts mit einer Minderjährigen aus dem Jahr 197 in die USA auszuliefern. Zuvor hatte hatte sie ihn unter Hausarrest gestellt. Schon bald nach seiner Freilassung konnte er sein neues Filmprojekt ankündigen: "Carnage". (Foto: AP)

Gerade ein Dreivierteljahr ist es her, dass der Regisseur selbst unter höchstem Druck stand, weltweit aggressiv verurteilt, aber auch mit Verve verteidigt, da war er eingesperrt in seinem Ferienhaus in Gstaad. Die Schweizer Behörden hatten ihn unter Hausarrest gestellt, während sie ein Auslieferungsgesuch der USA prüften - wegen des oft beschriebenen Sexualdelikts mit einer Minderjährigen aus dem Jahr 1977.

Es dauerte dann bis zum Juli 2010, bis die Schweiz sich gegen die Auslieferung entschied, und Polanski nach Paris zurückkehrte, wo er sich als französischer Staatsbürger vor weiterer Strafverfolgung sicher fühlt. Dort wollte er auf Rat seiner Anwälte dann auch seinen nächsten Film drehen. Und nicht im deutschen Babelsberg, wo seine letzten Werke entstanden sind.

Polanskis Schaffensdrang und seinem Ansehen als Filmemacher scheint die Schweizer Episode jedenfalls kaum geschadet zu haben. Schon bald nach seiner Freilassung konnte er das Projekt Carnage ankündigen, und ein bemerkenswertes Quartett an Schauspielern dazu: Jodie Foster, Kate Winslet, John C. Reilly und Christoph Waltz. Sie alle zögerten offenbar nicht, sich mit Polanski in eine Art schauspielerischen Nahkampf zu begeben, für die Kinoadaption von Yasmina Rezas Theaterstück Der Gott des Gemetzels. Das erste Foto zeigt die vier in ihrer filmischen Konstellation und erzählt schon einiges über die Herangehensweise des Regisseurs, der selbst noch keine Statements abgibt.

Zwei Ehepaare stehen sich da gegenüber, Gäste und Gastgeber. Jodie Foster und John C. Reilly, in abgetönter Strickware, haben eingeladen. Ihr Sohn hat bei einer Pausenhof-Schlägerei zwei Zähne eingebüßt und nach eingehender Befragung auch den Täter benannt, den Jungen von Kate Winslet und Christoph Waltz. Jetzt will man sich entschuldigen beziehungsweise verzeihen, über alles reden, wobei auch der Hamster zur Sprache kommt, und ein pädagogisch wertvolles Gespräch mit den Knaben in die Wege leiten. Noch wirkt alles gesittet, der gemütliche Reilly reicht fast demonstrativ die Versöhnungshand. Daraus wird in den nächsten zwei Stunden allerdings nichts - siehe oben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum bei "Carnage" die Besetzung schon die halbe, wenn nicht gar die ganze Miete ist.

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Yasmina Reza, die französische Theaterautorin, die das Stück 2006 in Zürich zur Uraufführung brachte, hat die Drehbuchadaption in Zusammenarbeit mit Polanski selbst vorgenommen, und auch die Verlegung des Milieus vom gutbürgerlichen Paris ins gutbürgerliche Brooklyn. "Das folgt alles weitgehend dem Original, aber kleinere Überraschungen gibt es natürlich trotzdem", sagt Martin Moszkowicz, der deutsche Co-Produzent des Films. "Dass auf Englisch gedreht werden sollte, stand jedenfalls von Anfang an fest."

Die alte Filmweisheit, dass die richtige Besetzung bereits die halbe Miete ist, wenn nicht sogar die ganze, kann man hier gut studieren: Jodie Fosters Figur muss nach Yasmina Reza an der Oberfläche gütig und idealistisch sein, darunter aber beinhart moralisch und schwer verkniffen. John C. Reilly sollte jovial und etwas feige wirken, voll versteckter Frustrationen. Kate Winslet wie eine Zicke, die verzweifelt die Fassade ihrer Ehe aufrechtzuerhalten sucht. Und Christoph Waltz wie ein beinharter Zyniker, der aber mit sich selbst merkwürdig im Reinen ist. Von ihm kommt dann auch die Erkenntnis, dass doch eigentlich der "Gott des Gemetzels" seit Anbeginn der Zeiten uneingeschränkt herrsche. Wenn man sich die Gesichter auf diesem Bild so anschaut, mit den Oscarpreisträgern Foster, Winslet und Waltz und dem oscarnominierten Reilly, meint man das schon zu sehen.

Die Wohnung im Hintergrund wird praktisch der einzige Schauplatz sein. Sie ist dafür aber auch, sagt Produzent Moszkowicz, von Francis Ford Coppolas Stammszenenbildner Dean Tavularis ( Der Pate, Apocalypse Now) in den Rang eines "weiteren Hauptdarstellers" erhoben worden. Für Kostüme zeichnet Milena Canonera verantwortlich, die mit Kubrick begann und zuletzt von Soderbergh und Wes Anderson gebucht wurde. Das alles hat, genau wie Polanskis genaue Arbeitsweise, die drei Wochen Probenzeit und extrem viele Takes verlangt, natürlich seinen Preis. "Trotz der klassischen Einheit des Orts", sagt Moszkowicz, "liegen wir im mittleren europäischen Budgetbereich."

Der deutsche Kinostart von Carnage soll im November sein, über Festivals darf spekuliert werden. Eines scheint aber klar zu sein: Während der Film seine Reise um die Welt antritt, wird Polanski zu Hause in Frankreich bleiben. Sicher ist sicher.

© SZ vom 19.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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