Neuer Krimi von Joanne K. Rowling:Gewaltige Explosion der Bösartigkeiten

Author Rowling poses for a portrait while publicizing her adult fiction book 'The Casual Vacancy' in New York

Hat zum zweiten Mal unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht: Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling.

(Foto: REUTERS)

Ein Autor ist verschwunden und mit ihm sein perfider Schlüsselroman. In "Der Seidenspinner" schickt Joanne K. Rowling ihren Privatdetektiv Cormoran Strike zum zweiten Mal auf die Jagd. Er findet die ganze Hässlichkeit der Welt.

Von Fritz Göttler

Die Konfrontation mit dem Tod kommt nicht wirklich unerwartet, aber sie ist dann doch schockierend und scheußlich selbst für einen Privatdetektiv: "Auf der Schwelle zögerte Strike nur kurz, um den Hemdärmel über seine nackte Hand zu ziehen, damit er keine Spur an der Klinke hinterließ . . . Er hatte den Tod erwartet, aber nicht das. Ein Kadaver . . . Doch was wie ein geschlachtetes Schwein aussah, trug Menschenkleidung."

Die detaillierte Beschreibung des mörderischen Arrangements wird hier nicht zitiert werden. Cormoran Strike ist solcherlei natürlich gewohnt. Er ist Sohn eines Rockmusikers, war Soldat in Afghanistan, hat durch eine Bombe einen Unterschenkel verloren und schlägt sich nun als Privatermittler durch, mit den üblichen schnüfflerischen Aufträgen. Sie halten ihn auf Trab, quer durch London, in den U-Bahnen und Gassen.

Die Entdeckung oben macht er in der Talgarth Road, Nummer 179. "Obwohl London reich an baulichen Anomalien dieser Art war, hatte er noch nie Gebäude gesehen, die so wenig zu ihrer Umgebung passten. Die alten Häuser standen in einer würdevollen Reihe wie dunkelrote Relikte aus einer optimistischeren, fantasievolleren Zeit, während vor ihnen unaufhörlich der Verkehr in beiden Richtungen vorüberrumpelte."

Wilde Erinnerungen brechen auf

Im kalten Winter 2001 friert Cormoran Strike häufig, das Bein schmerzt, und wilde Erinnerungen brechen auf an eine schmerzliche Liebe zu einer Frau, die ihn lange gefesselt und dann verlassen hat, und die nun auf dem Titelbild des Tatler ist - sie wird einen Viscount heiraten . . .

"Der Seidenspinner" ist Cormorans zweiter Fall, beim ersten, "Der Ruf des Kuckucks," wurde erst allmählich klar, dass sich hinter Robert Galbraith Joanne K. Rowling verbarg, die erfolgreiche Schöpferin von Harry Potter. Sie wollte raus aus dem lästigen Korsett des Ruhms, einen jungfräulichen Neustart wagen in einem ganz anderen Genre.

Auch der Autor Owen Quine, dessen Geschichte im "Seidenspinner" ausgeweidet wird, treibt sein Spielchen mit dem Literaturbetrieb. Ein Manuskript, "Bombyx Mori", zirkuliert von ihm, in dem es derb zur Sache geht und das als böser Schlüsselroman gelesen wird. Owen Quine selbst ist verschwunden, und Cormoran Strike soll ihn finden. Bombyx Mori ist der Gattungsname für den Seidenspinner.

Äußere Kälte, innere Kälte

Die Versatzstücke des Krimis - Spurensuche, Befragung, Hypothesen - nutzt der Roman nur oberflächlich, und er ist überhaupt nicht aus auf die Behaglichkeit des Genres. Der äußeren Kälte der Stadt entspricht eine innere. "War es ein gutes Gefühl, sich durch Ihren gesamten Bekanntenkreis zu schänden und zu morden", fragt Strike bei der Abrechnung, "eine einzige gewaltige Explosion der Bösartigkeiten und Obszönitäten . . ." Die Welt ist hässlich, und diese Hässlichkeit wird dargestellt mit dem Realismus des Theatralischen.

Der Roman ist eine Folge von Tableaus, ausgemalt in unerbittlicher, perfider Kleinteiligkeit. Und das Geschehen entpuppt sich, im wahrsten Sinn des Wortes, als elisabethanisches Theater - dessen große Autoren haben die Motti für die Kapitel geliefert, Ben Jonson, John Webster, Christopher Marlowe, und auch der ganz frühe Shakespeare. Thomas Middleton, "The Revenger's Tragedy. "Wendet die Seideraupe fürwahr ihr gelbes Müh'n / Auf für Euch? Für Euch gibt sie ihr Leben hin?"

Robert Galbraith: Der Seidenspinner. Aus dem Englischen von Wulf Bergner, Christoph Göhler, Kristof Kurz. Blanvalet Verlag, München 2014. 672 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 15,99.

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