Neuer Chef der Berliner Philharmoniker:Petrenko ist die bestmögliche Wahl

Kirill Petrenko; Berliner Philharmoniker

Zurück in der Hauptstadt: Kirill Petrenko, designierter Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, war schon Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin (Bild von 2006).

(Foto: Claudia Esch-Kenkel/dpa)

Der erste Favorit scheiterte, weil er als zu schwierig galt. Nun wird also Kirill Petrenko neuer Chefdirigent der Berliner Philharmoniker - ein Mann mit Bilderbuchkarriere und gewinnendem Lachen.

Von Reinhard J. Brembeck

Diesem Lachen kann niemand widerstehen. Kirill Petrenko kann kindlich überwältigend lachen, wenn er ungläubig staunt über den tobenden Jubel nach seinen Aufführungen. Und er lachte sympathisch bescheiden, als nach seinem Bayreuth-Debüt 2013 der "Ring"-Regisseur Frank Castorf 20 Minuten (!) lang vor dem Vorhang ausgebuht wurde, während hinter dem Vorhang Musiker, Sänger und Dirigent ungeduldig auf ihren Auftritt warteten.

Da erschien plötzlich Petrenkos Kopf mit diesem Lachen durch den Vorhang hindurch, und dann wurde er per Akklamation zum neuen König des Grünen Hügels bestimmt.

Jetzt haben die Berliner Philharmoniker sich dieses Lachens versichert, sie haben Petrenko als Nachfolger ihres derzeitigen und 2018 aus dem Amt scheidenden Chefs Simon Rattle gewählt. Das ist die bestmögliche Wahl für eines der berühmtesten Orchester der Welt. Es ist aber auch ein Coup, mit dem niemand gerechnet hat - obwohl Petrenko immer zu den Favoriten zählte.

Der gestürzte Favorit: Christian Thielemann

Vor sechs Wochen haben die Philharmoniker, umlagert von der Weltpresse, einen ersten Wahlversuch unternommen, der nach zwölf Stunden ohne Ergebnis abgebrochen wurde. Offenbar konnten sich die Musiker nicht auf Christian Thielemann einigen, der persönlich als schwierig gilt und wohl etlichen der Philharmoniker nicht vermittelbar war. Mit Petrenko haben sie jetzt die viel bessere Wahl getroffen.

Wie Thielemann ist er ein Spezialist für Hochromantisches, also für Komponisten wie Richard Wagner, Richard Strauss, Giacomo Puccini. Aber Petrenko ist 13 Jahre jünger als Thielemann, interessierter in puncto Repertoire und derzeit der Vorreiter der musikalischen Entwicklung. Anders als der rückwärtsgewandte und zunehmend um Verfeinerung bemühte Thielemann strebt Petrenko nach einer Synthese der beiden die vergangenen Jahrzehnte beherrschenden Musizierformen: der Analytischen und dem Instinktiven. Und dabei hat er bereits eine Meisterschaft erreicht, in der ihm keiner mehr gleichkommt.

Eine Meisterschaft übrigens, die immer noch nicht an ihr Ende gekommen zu sein scheint, die eher noch Gewaltiges verspricht. Und das ist das große Verprechen der Partnerschaft Kirill Petrenko und Berliner Philharmoniker.

Steil nach oben

Geboren wurde Petrenko im sibirischen Omsk. Der Vater war Geiger, der erhielt 1990 eine Stelle beim Sinfonieorchester Vorarlberg, die ganze Familie zog mit. Was Kirill den Militärdienst ersparte, er hätte womöglich drei Jahre lang U-Boot fahren müssen. In Vorarlberg begann seine Dirigentenkarriere, er hat das nicht vergessen, kommt immer wieder dorthin zurück. Dann ging es schnell und steil nach oben.

Petrenko wurde Generalmusikdirektor, 1999 in Meiningen, wo er als 28-jähriger in einem international beachteten Kraftakt Richard Wagners Vierteiler "Der Ring des Nibelungen" binnen einer Woche dirigierte. 2002 ging er als Musikchef an die Komische Oper in Berlin, dann 2013 in München. Im gleichen Jahr brachte er auch zusammen mit Frank Castorf den "Ring" in Bayreuth heraus, den er in diesem Jahr letztmals dirigieren wird. Dass er auch an die Met eingeladen wurde, nach Wien, Paris, London, Dresden und zu den Berliner Philharmonikern, versteht sich geradezu von selbst.

Das ist eine Bilderbuchkarriere, hinter der jedoch ein penibler Arbeiter steckt, der sich nie als Pultmagier gibt und auch nie das Publikum zu überrumpeln sucht. Sondern durch eine unbändige Lust am Detail überzeugt.

Das aber geht nur, weil Petrenko ganz genau weiß, was er will - und es auch bei den Musikern, die ihn lieben, durchsetzen kann. Obwohl seine Aufführungen durch ihre emotionale Wärme so gut wie jeden, Musiker wie Zuhörer, zum Schwärmen bringen, ist er letztlich ein akribischer Perfektionist.

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