Neuer Asterix-Band:Beim Teutates, sie räumen auf!

Es ist Winter in dem kleinen gallischen Dorf. Asterix und Obelix finden einen Eisblock mit einem Menschen. Es ist ein Schotte. Damit geht's los, im neuen Band "Asterix bei den Pikten", der an große, alte Zeiten anknüpft. Jetzt müssen sich die Römer wieder fürchten - und die Wildschweine auch.

Von Fritz Göttler

Das Markenzeichen ist natürlich geblieben. Auch auf dem Titelbild des neuesten Asterix-Bandes, Nr. 35, "Asterix bei den Pikten", steht ganz oben R. Goscinny und A. Uderzo - der Texter René Goscinny und der Zeichner Albert Uderzo, die seit 1959 das Schicksal und den Look von Asterix und seinen Mitkombattanten gestalteten. Die Titelzeichnung allerdings ist dann zweifach signiert: Uderzo und Conrad. Didier Conrad ist der neue Zeichner, nachdem Albert Uderzo sich zum Rückzug entschlossen hatte; Schluss mit Asterix hatte er verkündet. Der Verlag war natürlich dagegen, also ließ er sich umstimmen, hat bei der Suche nach dem neuen Team das Patronat übernommen. Auch ein neuer Szenarist ist an Bord, Jean-Yves Ferri. Ein veritabler Neubeginn, so sorgfältig kalkuliert und in Szene gesetzt wie sonst nur Hollywood-Blockbuster von Harry Potter bis James Bond.

Die Bände, die Uderzo nach dem Tod seines Freundes und Kompagnons Goscinny im Jahr 1977 allein gemacht hatte - darunter "Gallien in Gefahr" oder "Asterix und Latraviata" oder "Asterix auf Kreuzfahrt" -, waren eher mühsam, mehr steifes Figurenfahren als lustvolles Schaulaufen. Und sie waren nicht mehr ganz so liebevoll gezeichnet, wie man es gewohnt war, ohne die unerschöpfliche Imaginationskraft des Erzählers Goscinny, ohne mitreißenden Drive in der Geschichte.

Der neue Band fängt mit einer schönen kleinen Preziose an, einer erzählerischen Kostbarkeit. Es ist Winterende in dem kleinen wohlbekannten Dorf an der nordgallischen Küste, eine Jahreszeit, in der sogar seine Bewohner, all die schrecklich bornierten, kleinkarierten, aggressiven, rauflustigen, neidigen Kleinbürger ein wenig versöhnlicher miteinander Umgang pflegen. Methusalix hat natürlich schon sehr viel härtere Winter erlebt, von denen er im Fieberanfall daherfaselt.

Geheimnisvoll und vielversprechend

Asterix und Obelix gehen am Strand spazieren, wo es Austern gibt, aber auch manche angespülte schöne Sachen wie einen Römerhelm für die Sammlung oder eine alte Amphore. Obelix hofft auch auf ein paar Eisschollen, möglichst in Hinkelsteingröße, und sieht sich plötzlich mit einem seltsamen Fundstück aus dem Meer konfrontiert. Ein großer runder Eisblock, in den ein fremdartiger, in der Bewegung eingefrorener Mensch steckt. Rotes Haar, grüner karierter Rock, eine geheimnisvolle blaue Tätowierung auf der Brust. Es ist ein magischer Augenblick, geheimnisvoll und vielversprechend. Eine Geschichte scheint mit eingefroren zu sein in diesem Eisblock, sie wird gewissermaßen im weiteren Verlauf des Bandes mitaufgetaut.

Es dauert dann doch noch ein wenig, bis der Junge in dem Eis in die Hütte des Druiden Miraculix gebracht wird, und der weiß nach einem Blick auf die tätowierte Brust auch gleich, worum es sich bei dem Burschen handeln muss - um einen Pikten, einen "Bemalten", aus Kaledonien (Schottland). Schnell hat der Pikte dann seinen ersten öffentlichen Auftritt, mit wirbelnden, zwirbelnden Armbewegungen und, nach einem Trank von Miraculix, mit einem herzhaften "Obladiii, Obladaaa". Dann wird man über seine Geschichte informiert, da geht es um den Streit der diversen schottischen Clans, den Ambitionen eines Usurpators, aber auch, wieder einmal, um die Liebe eines Mädchens - ein narratives Knäuel, dem der Junge zum Opfer fiel und das ihn in das kleine gallische Dorf brachte.

Es ist eine perfekte Choreografie, die Ferri und Conrad hier entwickeln, sie haben in der Tat die klassischen Asterix-Bände genau studiert und sich auf die alten Qualitäten besonnen. Der Rhythmus stimmt, der Seitenaufbau ist durchdacht, das Zusammenspiel der Dorfbewohner sehr komisch. Die Frauen des Dorfes sind natürlich gleich in den Jungen vernarrt und die Männer eifersüchtig auf ihn. Notgedrungen beugen sie sich der neuen Mode, lassen sich mit kariertem Stoff ausstaffieren. Schottland hat Jean-Yves Ferri fasziniert als ein Land der Rituale und der Zeremonien, der Klischees und der weiten Landschaften. Und als ein Land, das die Kunst des Bildermachens früh ausgeprägt hatte, dessen Orte und Landschaften mit Zeichen und Symbolen bestückt sind - mit Piktogrammen, deren moderne Formen der Zeichner Conrad durchaus traditionsbewusst zum Einsatz bringt.

Ist Asterix zu groß geworden?

Die Zeichen verschiedener Epochen und Kulturen in einen Comic zu integrieren, die eigene Vergangenheit und Gegenwart ineinander zu reflektieren, das haben sich Goscinny und Uderzo als ihre Aufgabe gesetzt mit ihrer Asterix-Serie. Sie ist in diesem Sinne ein Produkt der französischen Fünfziger, des Jahrzehnts, in dem die Semiologie entstanden ist, mit den Mythen des Alltags von Roland Barthes und den Traurigen Tropen von Claude Lévi-Strauss. Mit ihnen teilt Asterix - wie auch viele andere Comics der damaligen Zeit, zum Beispiel die klassische Tim-und-Struppi-Serie von Hergé - einen ethnologisch-strukturellen Blick, der sich aufs Detail konzentriert und in dieser Konzentration das Vertraute fremd und das Fremde ganz vertraut wirken lässt. Neugier und Ironie bestimmen diesen Blick, nun auch bei Ferri und Conrad.

Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein

In den letzten Asterix-Bänden hatte dieser Blick gefehlt, sie zeigten einen Hang zum Monumentalen und Monströsen, verloren sich immer wieder in starre Großraumbilder. Die Rückkehr zum alten Reichtum und Rhythmus wirkt deshalb beruhigend - aber auch einlullend. Der Nostalgie-Effekt verstört, zu stark sind die Bilder denen der alten Bände angenähert. Der neue Band ist mehr perfektes Imitat als wirkliche Novität, die Zeit scheint stehengeblieben zu sein. Am Rande nur tauchen aktuelle Anspielungen auf, es ist, als ziehe Ferri - anders als Uderzo, der manchmal allzu drastisch die Anbindung an Aktuelles suchte - sich von allem zurück, was Europa insgesamt und Frankreich im besonderen in den letzten zehn Jahren erschüttert hat.

Natürlich gibt es wilde Konkurrenz unter den schottischen Stammesfürsten, die gewohnten skurrilen Debatten über Einheitstrend und Separatismus. Aber die Geschichte verliert nach der Hälfte ihr Tempo, der Kampf der Häuptlinge ist nicht halb so spannend wie der seinerzeit unter den gallischen Fürsten, und das Ungeheuer vom Loch Ness hat nur einen denkbar uninspirierten Auftritt.

Am Ende ist der Spagat nicht ganz gelungen zwischen Tradition und Innovation. Verträgt Asterix nicht mehr Originalität? Hat man Angst, mit der neuen Mode zu gehen? Ist Asterix zu groß geworden - ein Marketing-, ein unlösbares Blockbuster-Problem? Die letzte Entfremdung, Asterix und Obelix im karierten Schottengewand, mit der kräftig geworben wurde, wird uns dann doch erspart. Im Buch bleiben die beiden in ihrer alten Kluft mit den derb gestreiften Hosen- die von den modischen Inselbewohnern das Nordens auch prompt als démodé abqualifiziert werden, als halbes, unfertiges Karo.

Das Spiel mit den Erwartungen der Fans ist natürlich nirgendwo so riskant wie bei der riesigen Asterix-Gemeinde. Man sollte den Band als einen Probelauf lesen, vielleicht gibt es mit dem nächsten dann einen richtigen Neustart - da will Jean-Yves Ferri im Lande bleiben. Ein Asterix, hat er das Problem auf den Punkt gebracht, das ist wie bei einer Politikdebatte oder bei Dom Pérignon - jeder hat eine Meinung dazu.

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