Neue Musik:Man hätte besser Adele den Bond-Song singen lassen

Adele

Die derzeit beste Sängerin im Namen Ihrer Majestät: Adele.

(Foto: AP)

Adele ist so gut, als wäre sie nie weg gewesen. Von Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan würde man sich mehr Mut zum Unperfekten wünschen.

Von Max Fellmann

Cheatahs

Manchmal ist es besser, die Welt auf Distanz zu halten, sie wie durch Milchglas zur Kenntnis zu nehmen. Die Cheatahs, eine Band aus amerikanischen, englischen und deutschen Musikern, spielen auf ihrem zweiten Album "Mythologies" (PIAS) Gitarrenpop, der zwar oft nach vorn geht, Tempo macht, in sich aber doch merkwürdig gebremst wirkt, Abstand hält. Immer wieder so forsch wie The Strokes, dann aber so stoisch wie der Krautrock von Neu!, oft so rauschhaft lärmig wie die Gitarrenstürme von My Bloody Valentine, dann wieder von eigenartigen Synthesizer-Akkorden durcheiert, die von Boards Of Canada stammen könnten.

Bei allen erkennbaren Bezügen bleibt das Ganze aber doch sehr eigen. Der verhaltene, oft weit im Hall verlorene Gesang lässt die Musik merkwürdig körperlos wirken. Außerdem führt die Band vor, auf wie viele Arten sich Gitarrenklänge verzerren, verdrehen, verfremden lassen. Jedes Lied beginnt mit einem neuen Fiepen, Dengeln, Schrillen, Klingeln.

Zurück aber bleibt nicht etwa ein Pfeifen in den Ohren, sondern angenehme Melancholie. Musik, zu der man am liebsten samstagabends tanzen und am Sonntagnachmittag auf dem Sofa rumhängen will.

Adele

Nach drei Jahren Stille ist Adele wieder da, im November wird ein neues Album erscheinen, schon jetzt läuft der Song "Hello" (XL Recordings). Zufall oder verblüffend präzises Marketing, aber die ersten Zeilen, die sie in diesem sehr elegischen Song singt, sind Liebeslyrik und Fan-Kommunikation zugleich: "Hello, it's me / I was wondering if after all these years / You'd like to meet" - hallo, ich bin's, ich hab' mich gefragt, ob wir uns nach all den Jahren wiedersehen sollten. Das kann man als Abgesang auf eine frühere Liebe verstehen, zugleich spricht es direkt die Hörer an: So, bin wieder da, Lust auf eine neue Runde Adele?

Das Lied setzt nahtlos da an, wo Adeles letzter großer Moment, der Titelsong zum Bond-Film "Skyfall" aufhörte: Soul-Pop mit großer Geste, großem Arrangement, die Stimme kunstvoll zwischen zagendem Flüstern und wilder Koloratur. Shirley Bassey in der britischen Vorstadt-Version. Das macht sie, wie immer, gut. Und noch einmal wird einem klar, was für ein Unsinn es war, Sam Smith den neuen Bond-Song singen zu lassen. Die Produzenten hätten Adele einfach noch mal beauftragen sollen - Shirley Bassey durfte ja auch dreimal. Und es war gut so.

Dave Gahan

Es ist ein bisschen schwierig mit Dave Gahan. Der Sänger von Depeche Mode hat viel durchgemacht in seinem Leben, Drogen, Sekundentod, alles dabei. Der Mann könnte in seiner Kunst, in seinem Gesang aus dem Vollen schöpfen. Aber er ist am Ende dann immer doch zu sehr ein Geschöpf der Achtziger, ein Mensch, der stets einen ordentlichen Rest Distanz wahrt. Einer, der den Schmerz in einer gelungenen Pose andeutet, aber den einen entscheidenden Schritt weiter nicht geht.

Er muss ja nicht, seine Fans lieben ihn seit 30 Jahren für genau das, was er macht. Auch die Alben, die er ohne Depeche Mode veröffentlicht, verkaufen sich hervorragend. Mit dem Musiker Rich Machin hat er schon 2012 ein erfolgreiches Album produziert, jetzt mischen die beiden unter dem Namen Dave Gahan & Soulsavers zum zweiten Mal Pop und Elemente, die man im weitesten Sinne Gospel nennen kann. Das geht auf dem Album "Angels & Ghosts" (Sony) teilweise ganz gut auf, mit großen Chören und dicken Geigen. Aber über weite Strecken bleibt das Ergebnis ein bisschen zu kühl, zu wohlgeformt, zu musical-artig.

Am überzeugendsten sind die reduzierten Momente, der Auftaktsong "Shine" mit seiner rumpligen Gitarre lässt hoffen, aber danach rumpelt es alles zu wenig. Mehr Mut zum Unperfekten wäre schön gewesen.

Zum Anhören des Albums melden Sie sich bitte auf Spotify an.

Chris Cornell

Zum Schluss noch der Hinweis auf ein sehr zu Herzen gehendes Video. Wer bei YouTube "Chris Cornell" und "daughter" eingibt, stößt auf einen wackligen Konzertmitschnitt, gerade mal ein paar Tage alt: Der Sänger von Soundgarden und Audioslave sitzt auf einer New Yorker Bühne, nur mit einer akustischen Gitarre, er bittet seine elfjährige Tochter zu sich, gemeinsam singen sie Bob Marleys "Redemption Song".

Oh Gott, ist das rührend. Der Mann hat sich in den letzten 25 Jahren wie kaum ein anderer die Seele aus dem Leib gebrüllt, den wilden Kerl markiert - jetzt singt er da ganz zart, ganz vaterstolz, und neben ihm hält sich seine Tochter am Mikrofon fest und singt so perfekt wie eine Castingshow-Gewinnerin. Auf gewisse Weise steht Cornell in diesem Moment nackter auf der Bühne als je zuvor. Mit seinen Bands kann er sich auf Lärm und das ganze ledrige Rockerding verlassen, hier aber sieht er seiner Tochter leicht nervös dabei zu, wie sie sich ohne viel Erfahrung vor ein Publikum stellt - und alle verzaubert. Ein schöner Moment.

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