Neue Musik:Ecce homo

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Wolfgang Rihm, 1952 in Karlsruhe geboren, ist weit mehr als ein vielfach preisgekrönter Komponist. (Foto: dpa)

Rihm-Uraufführung bei der "musica viva"

Von Egbert Tholl, München

Im Auftrag und für die "musica viva" des Bayerischen Rundfunks hat Wolfgang Rihm ein neues Werk geschrieben. "Requiem-Strophen" wird am Donnerstag, 30. März, im Herkulessaal uraufgeführt und am Freitag wiederholt. Es spielt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons, die Gesangssolisten sind Mojca Erdmann, Anna Prohaska und Hanno Müller-Brachmann. Für Jansons ist es ein gewichtiger Ausflug ins Terrain der zeitgenössischen Musik, für Prohaska und Erdmann hingegen ein vertrauter Vorgang.

Tatsächlich wollte Wolfgang Rihm explizit für die beiden Sopranistinnen schon lange ein Stück schreiben, in dem ihre beiden Stimmen wie eine klingen. Rihm sagt dazu selbst im Programmheft: "Das ist wahrscheinlich ein Wunsch, aus einer Dualität eine Art Einstimmigkeit zu erzielen. Also im Grunde der Versuch, aus einem Doppelgesang eine einzige Stimme entstehen zu lassen." In den "Requiem-Strophen" gibt es nun Sopran-"Duette", verschlungene Melodielinien, basierend auf lateinischem Text und Texten von Rilke, Johannes Bobrowski, Michelangelo Buonarroti und Hans Sahl. Tatsächlich sind die Sopranpartien passend zu den Stimmen der beiden Sängerinnen lyrisch-melodiös geführt, Rihm selbst nennt sie "fast pflanzlich".

Mojca Erdmann und Anna Prohaska haben viel Erfahrung mit Rihms Musik. Prohaskas Vater inszenierte 1987 die Uraufführung der "Hamletmaschine" in Freiburg, der Sänger Richard Salter, der viele wichtige Partien in Opernuraufführungen der vergangenen 30, 40 Jahre wie etwa den Lenz in Rihms "Jakob Lenz" verkörpert hatte, war ein Freund der Familie. Und immer wieder hat Wolfgang Rihm Stücke für sie komponiert. Allerdings noch mehr für Mojca Erdmann - etwa den Sopranpart in der "Dionysos"-Oper, die 2010 bei den Salzburger Festspielen aufgeführt wurde.

Rihm ist ein Meister darin, Poesie mit Tumult, das Harte mit dem Zarten zu verweben, manchmal so eng, dass ein strahlend tonaler Akkord vielleicht mehr Irritation auslöst als ein rhythmisch krass konfiguriertes Gefüge harscher Töne. In den "Requiem-Strophen" steht nun der deklamatorische Duktus der Baritonpartie den floralen Verschlungenheiten der Soprane gegenüber. Rihm sagt, er habe ein Requiem ohne die Schreckensbilder vom Jüngsten Tag schreiben wollen. Tatsächlich versteht es Rihm, Innenwelten seiner Figuren grandios zu zeichnen. Seine "Lenz"-Oper etwa ist reines Psychogramm, in seinen "Requiem-Strophen" verweist er nun immer dann, wenn die Frage nach Gott aufkommt, auf den Menschen. "Die Texte warten auf eine subjektive Bewältigung und werden nicht einer scheindramaturgischen Überwältigungsmechanik überlassen." Und weiter: "Ich wollte von Anfang an keine Fuchteleien. Als Bub und Chorsänger mochte ich das. Eigentlich ist das Verdi-Requiem ja ein Bubenstück, selbst dasjenige von Berlioz. Es sind letztlich geniale Bubenstücke."

Wolfgang Rihm: Requiem-Strophen ; Uraufführung, Do. 30., Fr., 31. März, 20 Uhr, Herkulessaal

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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