Neue Musik der Woche:Welche Alben sich lohnen und welche nicht

Diese Woche: Jim James geistert durch die leeren Hallen des Pop. Und die Antwort auf die Frage, warum das schönste Schlafzimmer immer noch Belle & Sebastian gehört.

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Belle & Sebastian - "How to Solve our Human Problems - Part 1" (Matador)

Belle & Sebastian - How To Solve Our Human Problems (Part 1) EP

Quelle: Matador

Damals, um die Jahrtausendwende, als Leise das neue Laut war und die Produktionen auf Schlafzimmergröße zusammenschrumpften, gehörte das schönste Schlafzimmer einer Band aus Glasgow. Keiner spielte diesen leicht verschlafenen, wollmützenwarmen Indie-Pop so gut wie Belle & Sebastian. Seitdem hat sich die Band kein bisschen verändert. Wirklich gar nicht. Das ist aber ausnahmsweise überhaupt kein Problem, weil einem "How to Solve our Human Problems - Part 1" (Matador) einfach so hinreißend selbstverständlich die alten Sehnsüchte entgegenhaucht. Songs wie "We Were Beautiful" und "The Girl Doesn't Get It" sind auch 2017 noch letztgültiger Lebensretter-Pop. Ob man nun ein verlorener Teenager oder ein verlorener Erwachsener ist, ist für einen selbst ja egal.

Julian Dörr

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Big Sean & Metro Boomin - "Double or Nothing" (G.O.O.D Music/Def Jam/Bominati)

Big Sean & Metro Boomin - Double or Nothing

Quelle: Universal Music

Der Höhepunkt dieser Hip-Hop-Woche schien lange zu sein, dass das regierende Rap-Genie Kendrick Lamar von seinem gefeierten und grammynominierten neuen Album "Damn", das im April veröffentlicht wurde, eine Sammler-Edition herausgibt, auf der die Song-Reihenfolge umgedreht wurde. Oje, oje. Dann wurde immerhin bekannt, dass endlich das gemeinsame Album "Double or Nothing" (G.O.O.D Music/Def Jam/Bominati) des Rappers Sean Michael Anderson alias Big Sean und des Produzenten Leland Tyler Wayne alias Metro Boomin erscheint. Die Kanye-West-Entdeckung Big Sean steht zwar in dem Ruf, bislang nichts getan zu haben, was Drake nicht längst vor ihm und besser getan hat. Aber sein jüngstes Solo-Album "I Decided" enthielt immerhin zwei düstere Trap-Variationen wie "Bounce Back" oder "Sacrifices". Die co-produzierte schon Metro Boomin, der derzeit einer der wegweisenden Hip-Hop-Produzenten ist. Es gibt ungünstigere Ausgangsbedingungen für ein gemeinsames Album. Das Ergebnis auf "Double or Nothing" allerdings ist nun zwar mehr als nichts, aber leider auch vom Doppelten noch ziemlich weit entfernt. Viel nervöse Snare-Klöppeleien und jede Menge fachmännisch somnambul zerkaute Raps. Zu gekonnt, um schlecht zu sein, aber auch nicht inspiriert genug, um wirklich gut zu sein.

Jens-Christian Rabe

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Jim James - "Tribute to Vol. 2" (ATO Records)

Jim James - Tribute To Vol. 2

Quelle: ATO Records

Tribute-Alben kann man meistens problemlos in zwei Kategorien einteilen: Die, die mit ihren Coverversionen nur fahle Schatten der Originale bieten, und die, die aus alten Songs gänzlich neue zu schälen vermögen. Dass Jim James mit "Tribute to Vol. 2" (ATO Records) nun beides bietet, ist interessant, aber wahrlich kein Kompliment. Mit seiner Band My Morning Jacket driftet der Sänger schon seit Ende der Neunziger durch die Klangwelten von Soft Rock bis zu vietnamesischem Soul. Nun hat er ein paar spärlich instrumentierte Coversongs eingespielt: "I Just Wasn't Made for These Times" von den Beach Boys, "I'll Be Your Baby Tonight" von Dylan, "Baby Don't Go" von Sonny und Cher. Sie klingen leider wie zwangsgeräumt, bis auf Jim James' Stimme wurde alles beiseite geschafft. Der Gesang ist dazu verdammt, körperlos durch den leeren Raum zu wabern. Und so verwehen im Hall die Jahrzehnte. Sixties-Beat wird Country wird Tanzhallen-Jazz. Was bleibt vom Pop, wenn man ihm alles nimmt? Die Essenz? Nein. Ein Gespenst.

Julian Dörr

© SZ.de/doer/luch/biaz/crab
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