Neue Folgen von "Wer wird Millionär?":Ist ja nicht sein Geld

Weg mit der Hängematte: Am Montagabend präsentierte Günther Jauch "Wer wird Millionär?" mit den groß angekündigten Neuerungen. Die verwegene "Risiko-Variante" soll mehr Spannung bringen, hat aber zähe Momente.

Jennifer Fraczek

Wir schreiben das neunte Jahr der RTL-Quizshow "Wer wird Millionär?", und neben den Konzeptentwicklern lässt sich auch der Moderator etwas einfallen, um nicht von gestern zu wirken. Seine in vergangenen Ausgaben bisweilen zur Schau getragene Schlaumeierei wurde am Montagabend, in der ersten Sendung nach der Sommerpause, optisch unterstrichen: Jauch setzte die Lesebrille auf.

Günther Jauch

Günther Jauch: Ein Hauch von Überlebenscamp wehte durch seine Show.

(Foto: Foto: dpa)

Intellektueller wurde das Quiz dadurch nicht, aber die menschliche Note zum Start stellte die richtige Verbindung zum Auditorium her. Schließlich schalten nicht zuletzt Frauen die Sendung ein, und da ist der Jauch-Faktor entscheidend.

Drei oder vier Joker

Dann wurden die neuen Regeln erklärt. Die wichtigste Änderung: Der Kandidat kann zwischen zwei Spielvarianten wählen. Der konventionellen (zwei Gewinnstufen, drei Joker) und der "Risiko-Variante" (eine Gewinnstufe bei 500 Euro, vier Joker). "Wie weit würden Sie gehen?" lautete denn auch die mit bedrohlicher Stimme vorgetragene Ankündigung, die der an sich harmlosen Quiz-Show einen Hauch von Überlebenscamp gab.

Dazu passte auch das sich auf die nun ausgemusterte Gewinnstufe bei 32.000 Euro beziehende Motto "Weg mit der Hängematte". Das klingt so, als ob die Show die Macher nach acht Jahren selbst nicht mehr vom Hocker gerissen und sie sich deshalb zur Einführung der Hartz-IV-Reformen entschlossen hätten.

Also: entweder keine Hängematte und dafür ein neuer Publikumsjoker plus erweiterter Telefonjoker. Oder eben hasenfüßig agieren und den Gewinn von 16.000 Euro sichern, wenn man denn so weit kommt.

Alles verstanden? - Nein? - Macht nichts, auch der erste Kandidat jammerte, dass das ganz schön kompliziert sei mit den vielen Jokern. Warum genau RTL mit Gewalt an der Spannungsschraube dreht, weiß nicht einmal Günther Jauch. "Dringend notwendig war die Änderung sicher nicht", hatte er im Vorfeld gesagt: "Aber wir haben festgestellt, dass bei den meisten Kandidaten ab den sicheren 16.000 Euro der Ehrgeiz ein wenig nachgelassen hat. Wir hoffen nun durch den zusätzlichen Joker, ein bisschen das Risiko- oder Zocker-Gen freizulegen.''

Studio-Zuschauer als Joker

Der neue Publikumsjoker ist ein Gewinn: Der Kandidat kann einen Zuschauer befragen, der durch Aufstehen signalisiert, dass er die richtige Antwort kennt (was nicht immer die Wahrheit ist, wie uns Jauch "vertraulich" wissen ließ). Als kleine Motivation, den Kandidaten nicht in die Pfanne zu hauen, erhält der freiwillige Helfer 500 Euro.

Selbst wenn man als Zuschauer nicht das Bedürfnis verspürt, jeden Gast persönlich kennen zu lernen, war der Austausch mit dem Publikum bisweilen amüsant. Schäker-Meister Jauch spekulierte darauf, dass der selbstbewusst nach vorne Getretene sich vielleicht doch geirrt hatte.

Außerdem zeigte sich bei der Auswahl des potentiellen Helfers, dass bestimmte äußerliche Merkmale (männlich, Hemd, Sakko) offenbar als Kompetenzindikatoren gelten. Von den vier Kandidaten wagten drei die Risiko-Variante (also ohne Hängematte). Eine solche Freude am Vabanque-Spiel kennt man sonst nur aus den Promi-Specials, wo es getreu der Maxime zugeht: "Ist ja nicht mein Geld."

"Ich spiele hier nur Joker", sagte einer der Kandidaten und sprach damit ein Manko des neuen Konzeptes an: Geht es in höhere monetäre Gefilde, kann es passieren, dass alle vier Joker in rascher Folge verwendet werden, was die Spannung kollabieren lässt. Erst der 50:50-Joker, dann ein Telefon-Anruf, dann die Befragung des Publikums ("alle", wie jetzt hinzugefügt werden muss).

Schließlich sollen diejenigen aufstehen, welche die richtige Antwort zu wissen glauben. Nun wird wieder gefragt und noch einmal überlegt - und dann vielleicht doch aufgehört. Am Schluss schien selbst der Moderator auf das Signalhorn zu warten, welches das Ende der Sendung markiert.

Die Kandidaten jedoch gaben ihr Bestes. Man parlierte über die Vorzüge von Möpsen, über eine Couch zum Abwischen ("Schließlich habe ich Mann und Kinder zu Hause") und machte sich über Holländer lustig. Zwei Gewinner gab es sowie ein Opfer des neuen Hängematten-befreiten Systems - und das war trotz zäher Momente nicht der Zuschauer.

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