Süddeutsche Zeitung

Neue Filme in Kürze:Die Starts der Woche

Der "König der Löwen" brüllt wieder, Chucky die Mörderpuppe mordet wieder, und Luc Besson träumt wieder von langbeinigen Killerinnen. Die Filmwoche im Überblick.

Von den SZ-Kritikern

Alpgeister

Doris Kuhn: Sagen und Legenden aus den Bayerischen Alpen - schönes Thema, schön im Dialekt dargeboten, wenn Hirten oder Heimatkundler von alten Zeiten erzählen. Man erfährt von der Natur und ihren Deutungen, man hört Menschen zu, die an Parallelwelten glauben. Walter Steffen allerdings ist dringlich bemüht, die Mythen auch sichtbar zu machen: Er stellt sie als Spielsequenzen nach, was seinem Dokumentarfilm jedes Geheimnis raubt und ihn gelegentlich umkehrt zur Farce.

Anna

Juliane Liebert: Anna ist ein Model. Aber nicht nur das, sie ist auch eine Geheimagentin. Beides zusammen belastet sie schon sehr. Es ist kaum mit anzusehen. So wie Luc Bessons letzte Filme. Wäre es nicht schön, wenn Anna weder modeln noch morden müsste? Wäre es nicht schön, wenn es diesen Film nicht gäbe? So viele Fragen, so wenige Antworten. Arme Anna.

Ausgeflogen

Fritz Göttler: Erinnerungen will Heloise sich schaffen, also filmt sie ihre Tochter Jade mit dem Handy den ganzen Tag, angefangen am Frühstückstisch. Und ist fürchterlich genervt, als sie ihr Handy mit den gespeicherten Erinnerungen verliert. Jade ist die jüngste, die beiden anderen wohnen schon nicht mehr zuhause, nun ist auch Jade zugelassen zum Studium in Kanada. Einsamkeit droht, Leere. Sandrine Kiberlain ist schnippisch, reaktionsschnell, bewegend als Mutter Heloise, Thais Alessandrin ungewöhnlich fürsorglich als Teenager-Tochter Jade. Zehn Jahre ist es her seit "LOL", dem großen Erfolg von Regisseurin Lisa Azuelos. Ihre Tochter Thais war damals auch schon dabei.

Back To Maracanã

Anna Steinbauer: Welch folgenschwere Bedeutung der Untergang Brasiliens gegen Deutschland im Halbfinale der Fußball-WM 2014 für eine israelische Familiengeschichte hat, zeigt diese amüsante Mehrgenerationen-Dramödie von Jorge Gurvich. Zusammen mit seinem fußballbegeisterten Großvater und dem nicht minder ballfanatischen Vater begibt sich der elfjährige Itay auf einen Roadtrip durch Brasilien. Dabei bereisen die drei nicht nur das Land ihrer Vorfahren, sondern sind inmitten des WM-Fiebers gezwungen, sich ihren aktuellen Konflikten zu stellen.

Un cafe sans musique c'est rare à Paris

Annett Scheffel: Johanna Pauline Maiers Film ist ein filmisches Traumspiel. Eine junge Frau reist nach Paris und streift fortan nicht nur durch die nasskalten Straßen, sondern durch verschiedene Identitäten, Beziehungen, Lebensentwürfe und Sprachen. Sie ist ahnungslose Touristin, Mutter im Park, Single in einer Bar. Hübsch ist die Idee dieses Experiments, dem Film vermag sie trotzdem wenig Auftrieb zu geben. Zu verkopft sind die Reflexionen, zu steif die Dialoge, zu irritierend die Rätsel, zu langatmig dieser Spaziergang durch ein Paris als absonderliche Gespensterstadt ohne Gewissheiten.

Child's Play

Ana Maria Michel: Chucky, die Mörderpuppe ist mal wieder da. Allerdings nicht als Reinkarnation eines Serienkillers, sondern als böse Künstliche Intelligenz. Gleich am Anfang von Lars Klevbergs Neuauflage steht eine Kapitalismus- und Globalisierungskritik. Die verliert sich jedoch schnell, denn schon bald hat Chucky ein Messer in der Hand - und das Blut spritzt. Bei solchen Szenen können vielleicht sogar ein paar echte Fans darüber hinwegsehen, dass Don Mancini nicht mitgewirkt hat und die Puppe etwas anders aussieht.

König der Löwen

Tobias Kniebe: Vom Löwenschnurrharr bis zum Savannengrashalm: Nichts ist hier wirklich gefilmt worden, alles Computeranimation. Aber die Technik ist jetzt soweit, dass man den Unterschied tatsächlich nicht mehr sieht. Schon deshalb ist Jon Favreaus fotorealistisches Remake von Disneys Animationsklassiker ein neuer Meilenstein. Ansonsten bleibt alles sehr nah an der Originalgeschichte vom Löwenjungen, das nach dem tragischen Tod des Vaters eine Weile braucht, um seine Rolle als künftiger König zu akzeptieren. Was damals schon groß war - die Eröffnungssequenz, die Zulu-Chöre, Hans Zimmers Musik, die Warzenschweinwitze - darf einfach bleiben, der Rest wird realer und für Kinder deutlich furchterregender. Am Ende fragt man sich , ob alle Tierfilmer in Afrika jetzt bald arbeitslos werden (siehe SZ vom Mittwoch).

Made in China

Fritz Göttler: Die Leiden eines jungen Chinesen in Paris - ein knallharter, unversöhnlicher Vater-Sohn-Konflikt. Frederic Chau, einer der Schwiegersöhne von Monsieur Claude - er hat mit Regisseur Julien Abraham das Drehbuch geschrieben -, führt in der Rolle des François eine unscheinbare kleinbürgerliche Existenz, er arbeitet als Fotograf und soll sich nun, da seine Freundin ein Kind erwartet, schnellstmöglich wieder mit dem Vater versöhnen. Der verweigert seit zehn Jahren jeden Kontakt, kann nicht billigen, dass der Junge statt richtig Karriere zu machen jetzt Nahrungsmittel fotografiert. Nun muss François zurück in die Pariser chinesische Community, ein schwerer Gang, bei dem ihn der Kumpel Bruno unterstützt, gespielt von Medi Sadoun, einem weiteren Claudeschen Schwiegersohn - er kennt sich aus mit Menschen in verfahrenen Situationen, er ist Fahrlehrer.

Messer im Herz

Philipp Stadelmaier: Paris, 1979: Anne (Vanessa Paradis) dreht schwule Pornofilme und hat Liebesprobleme mit ihrer Cutterin, während ein Serienkiller nach und nach ihre Darsteller umbringt. Kino und Wirklichkeit vermischen sich in Yann Gonzalez' tollem Film, der an den frühen Almodóvar erinnert und einen eigenen, komischen, märchenhaften Fantasiekosmos entspinnt, in den von außen Voyeurismus und Gewalt einbrechen.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2019
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