Neue Filme:Die Starts der Woche in Kürze

Der Horrorfilm "Gretel & Hänsel" wagt sich an eine emanzipierte Version des Märchenklassikers. Und Tom Hanks hat sich für den Kriegsfilm "Greyhoud" selbst eine Hauptrolle geschrieben.

Von den SZ-Kritikern

Die Starts ab 9. Juli auf einen Blick. Rezensionen ausgewählter Filme folgen.

Das Beste kommt noch

Fritz Göttler: Ein paar Vorschläge für die "bucket list": Fallschirmspringen, Rennwagenfahren, einen Elefanten oder einen Koala streicheln, sagt Cesar. Nochmal den ganzen Proust lesen, sagt Arthur, inklusive Jean Santeuil. Lauter Sachen, die man machen muss, bevor man stirbt, in drei Monaten, an Lungenkrebs. Arthur und Cesar denken, jeweils der andere ist dran, im Film von Alexandre de La Patelliere und Matthieu Delaporte, und aus den besten Freunden seit Jugendzeit werden energische Kümmerer, aber nur für einen trifft die Diagnose zu. Mit Formel 1 und Proust wird's zwar nichts, aber Fabrice Luchini und Patrick Bruel sind nicht zu stoppen, wenn sie die Grenzbereiche ihrer bürgerlichen Existenz erforschen, zwischen Überschwang und Versöhnlichkeit.

Gegen den Strom - Abgetaucht in Venezuela

Fritz Göttler: Ein Terrorist mit Hosenträgern, gartelnd, Protest in Lieder fassend und singend. Im Jahr 1995 hat Thomas Walter mit zwei Freunden einen Anschlag auf ein im Bau befindliches Berliner Gefängnis versucht, musste untertauchen in den venezolanischen Anden. Im Jahr 2019 sucht ihn der Filmemacher Sobo Swobodnik dort auf, lässt ihn erzählen, von der jede Menge Steuergelder verpulvernden Ineffizienz deutscher Behörden, der desolaten Situation in Venezuela nach dem Chavismus, Gleichmut und Solidarität, dem Vertrauen auf die revolutionäre Kraft der Musik, das ihn mit dem Sänger Mal Eleve verbindet, der ihn im zweiten Teil des Films besucht. Graswurzelrevolution im wahrsten Sinne, eine bewegende, irritierende Zeitreise in eine vergangene Welt, wo Leben und Handeln selbstverständlich politisch waren: Wir schreiben Geschichte, jeder von uns ist ein Teil, wir sind nicht allein.

Gretel & Hänsel

Doris Kuhn: Das Märchen der Gebrüder Grimm wird neu erzählt, mit wenig Änderung im Plot, aber mit einer anderen Interpretation der Frauenfiguren. Der Hänsel bekommt bei der Hexe möglichst simple Beschäftigung, für Gretel hingegen hält sie eine Einführung in die Emanzipation bereit. Sonderlich gruselig ist das nicht, dafür legt Osgood Perkins Wert auf Bildästhetik: mit ein paar psychedelischen Attraktionen sorgt er immerhin visuell für Abwechslung.

Greyhound

Tobias Kniebe: Diesen Film für Apple TV hat Tom Hanks sich selbst auf den Leib geschrieben, nach einem Seekriegs-Roman aus den Fünfzigerjahren. Er spielt einen amerikanischen Kapitän im Kampf gegen deutsche U-Boote im Atlantikkrieg des Jahres 1942, der von Zweifeln geplagt ist - fortgeschrittenes Alter, ein Leben im Dienst, aber null Kriegserfahrung. Dann wird er von höchst martialischen deutschen Gegnern in die Zange genommen und erweist sich, unter der Regie von Aaron Schneider, natürlich doch als Held. Interessant sind die Einblicke in die Psyche eines Schauspielers, der sich selbst schon lange auf der Kommandobrücke des Lebens verortet.

Eine größere Welt

Anke Sterneborg: Jeder Film von Fabienne Berthaud ist ein poetischer Trip, ein Balanceakt zwischen Fiktion und Dokumentation. Immer wieder aufs Neue erzählt sie von Frauen in der Krise, die sich in besonders fragilem Zustand auf lebensverändernde Reisen begeben. Zum ersten Mal verfilmt sie jetzt ein fremdes Buch, erzählt die autobiografische Initiationsgeschichte von Corine Sombrun, die nach dem Tod einer Freundin in der Mongolei den Schamanismus entdeckte und neurologisch erforschte.Cécile de France löst Diane Kruger in der Rolle des Mediums ab, Ludivine Sagnier ist erneut in einer Nebenrolle dabei.

Harriet - Der Weg in die Freiheit

Nicolas Freund: In den USA ist Harriet Tubman eine Legende. Hunderten Schwarze soll sie unter dem Decknamen "Moses" Mitte des 19. Jahrhunderts bei der Flucht aus der Sklaverei geholfen haben, später setzte sie sich für die Rechte der Frauen ein. Es verrät einiges über Hollywood, dass erst jetzt ein Spielfilm über sie in die Kinos kommt, der noch dazu etwas über das Ziel hinausschießt. Fast das ganze Leben Tubmans hat Regisseurin Kasi Lemmons versucht, in gut zwei Stunden zu packen. Das ist spannend und mitreißend, wird aber gegen Ende immer geraffter, so dass manche dramatische Flucht in ein oder zwei Szenen abgehandelt und nur noch wie ein Spaziergang im Wald wirkt. Ein dazu erfundener Gegenspieler wirft außerdem die Frage auf, ob das Leben der historischen Harriet Tubman den Filmemachern nicht ausreichend erschienen ist. Der Film ist vor allem gut gemeint, funktioniert aber weder als Biopic, noch als Blockbuster so richtig.

Helmut Newton - The Bad and the Beautiful

Juliane Liebert: "Die meisten Fotografen sind schrecklich langweilig, und die meisten Filme über Fotografen sind es auch", erklärt Helmut Newton am Anfang dieser Dokumentation dem Zuschauer. "Sie zeigen einen Rücken, einen Mann an einer Kamera, Klick klick klick, das dümmliche Geschwätz von Model und Fotografen." Dümmliches Geschwätz findet sich in Gero von Boehms Doku über den Großmeister nicht, dafür viele ernst schauende dominante Frauen mit langen Beinen. Was auch sonst. Newton wird aus der Sicht der Frauen gezeigt, die er fotografiert hat. Besonders Grace Jones scheint sich dabei köstlich amüsiert zu haben.

Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me

David Steinitz: Für puristische Fans ist Ronnie Wood gar kein vollwertiges Mitglied der Rolling Stones, weil er erst 1975 einstieg - für die Band allerdings ist er unersetzlich. Das bezeugt Mike Figgis in seiner Doku durch Interviews mit Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts und natürlich Wood selbst, den er auch bei seinem liebsten Hobby zeigt: der Malerei. Mehr als ein bebilderter Wikipedia-Eintrag von erstaunlicher Kürze für einen Kinofilm (71 Minuten) ist dabei leider nicht herausgekommen.

Scooby! Voll verwedelt

Josef Grübl: Der Zeichentrickhund Scooby-Doo war in den letzten fünfzig Jahren im Dauereinsatz. Er hechelte durch diverse Fernsehserien, Kinofilme und TV-Specials, nebenbei drückte er Brettspielen oder Frühstücksflocken seine Pfote auf. Jetzt gibt es einen weiteren Film, darin geht es um den Hund von Alexander dem Großen, doofe Superhelden, den Castingshow-Juroren Simon Cowell, Minions-artige Bösewichte und die Frage, ob man für ein Netflix-Abo bezahlen muss. Kurzum: Regisseur Tony Cervone und seine sieben Drehbuchautoren scheinen sich für alles Mögliche zu interessieren, nur nicht für die Story ihres lieblos animierten Films.

Semper Fi

Sofia Glasl: Der Ehrenkodex der US Marines gilt ein Leben lang. Deshalb stehen der Reservist Cal und dessen Kumpels auch für seinen Bruder ein, als dieser ins Gefängnis muss. Regisseur Henry-Alex Rubin stellt in seinem Gesellschaftsdrama die berechtigte Frage, wie weit Loyalität gehen darf. Doch verwechselt sein Film dabei Ehre mit Selbstgerechtigkeit und zelebriert testosterontriefende Haudrauf-Maskulinität als Heldentum. Alles beim Alten also: Männer sind Männer und Frauen nur Deko.

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