Süddeutsche Zeitung

Neue Filme:Die Starts der Woche

Der Horrorfilm "Crawl" erzählt von einem Vater, seiner Tochter und sehr vielen Alligatoren. Der Thriller "Paranza - Der Clan der Kinder" zeigt, wie Jugendliche in Neapel von der Mafia angezogen und rekrutiert werden.

Von den SZ-Kritikern

Die Starts ab 22. August auf einen Blick. Rezensionen ausgewählter Filme folgen.

Aardvark

Annika Säuberlich: Was ist wirklich und was nicht? Diese Frage stellt sich nicht nur Zachary Quinto als psychisch kranker Mann, sondern bald auch seine Therapeutin. Was vermutlich als Versuch gedacht war, dieses Verwirrspiel auf den Zuschauer zu übertragen, endet in einem völlig konfusen Film. Brian Shoafs Drama "Aardvark" ist unbehaglich und seltsam. Es bleibt die Frage: Was soll das?

Blinded by the Light

Anke Sterneborg: Tradition versus Moderne, Indien versus England, Restriktionen versus Freiheit - diese Dinge sind das Lebensthema der indischen Regisseurin Gurinder Chadha. 17 Jahre nach "Kick it like Beckham" präsentiert sie sie noch einmal ganz frisch, mit einer entwaffnenden Mischung aus harschem Realismus und wahrhaftigen Gefühlen. Als Teenager mit pakistanischen Wurzeln in einer trostlosen Kleinstadt im Thatcher-England der Achtzigerjahre sitzt Jarved zwischen allen Stühlen. Doch mit Unterstützung der Songs von Bruce Springsteen setzt er seinen Schriftstellertraum gegen alle Widrigkeiten seiner Herkunft durch, bis sich die graue Welt arbeitsloser Väter und rassistischer Skinheads im mitreißenden Drive eines Musicalmoments auflöst.

Congo Calling

Jacqueline Dinser: Armut, Kannibalismus, Gewalt: Die Entwicklungshelfer Peter und Anne-Laure sowie der Wissenschaftler Raul wollen etwas im Osten der Demokratischen Republik Kongo bewegen, müssen jedoch mit Rückschlägen umgehen. Stephan Hilpert zeigt die persönlichen Schicksale der drei Visionäre, die immer um die Frage kreisen: Wie hilfreich ist die Unterstützung westlicher Helfer in Afrika wirklich? Eine berührende Reise in den Kongo.

Crawl

Doris Kuhn: Ein Hurrikan Stärke 5 trifft auf Florida, die Menschen sind schon in Sicherheit. Nur in einem Kriechkeller am Rand der Sümpfe liegt ein verletzter Mann mit seiner Tochter, festgehalten vom steigenden Wasser - und von Alligatoren, die Beute wittern. Alexandre Aja baut ein klaustrophobisches Szenario und lässt darin etwas los, das lange bloß noch als Parodie existierte: ein Creature-Feature, realistisch genug, um in Erinnerung zu rufen, wie hart und smart dieses Horror-Subgenre tatsächlich sein kann.

Die Einzelteile der Liebe

Anna Steinbauer: Sophie und Georg verlieben sich, nachdem diese hochschwanger von ihrem Freund sitzen gelassen wird. Georg übernimmt daraufhin die Vaterrolle für den kleinen Jakob, doch die Beziehung scheitert nach einigen Jahren. In lakonischen Episoden erzählt das Drama von Miriam Bliese rückblickend vom Ringen um Liebe, Arbeitsteilung und Sorgerecht im ästhetisch inszenierten Zwischenraum. Wie findet man zwischen Tür und Angel die richtige Balance zwischen Patchwork, neuem Partner und Selbstverwirklichung?

Endzeit

Martina Knoben: Ein feministischer Zombie-Film! Aus Deutschland! Carolina Hellsgard adaptierte einen Comic von Olivia Viewegs, Vieweg schrieb selbst das Drehbuch. Zwei junge Frauen, die zarte Vivi und die schlagkräftige Eva, kämpfen sich darin nach der Zombie-Apocalypse durch Thüringen. Klar gibt es Kämpfe gegen grunzende Untoten - mehr noch aber interessiert die Autorinnen die Freundschaft der Mädchen und die märchenhaft entvölkerte Natur. Das Genre wird mit weiblicher Handschrift überschrieben, zart und hart: Eine "Gärtnerin" zieht prächtiges Gemüse, auf einem Humus aus Leichen.

Gloria - Das Leben wartet nicht

Maresa Sedlmeir: Julianne Moore in Blümchenkleid und mit Nerdbrille. Sie spielt eine geschiedene Mittfünfzigerin, die sich neu verliebt. Nur lässt sich ihr Paintball spielender Traummann von seiner Vergangenheit einholen. Der chilenische Regisseur Sebastián Lelio hat seinen Film aus dem Jahr 2013 noch einmal in Hollywood als Remake gedreht. Das Ergebnis: starbesetzt, aber steif, glatt und längst nicht so lustig.

Good Boys

Anke Sterneborg: Forschungsfreudige Sechstklässler wappnen sich für die erste Kussparty, setzen die Drohne des Vaters zu Forschungszwecken auf ein Pärchen aus der Nachbarschaft an, und von da an geht alles schief, was schiefgehen kann. Auf den Spuren von Judd Apatow haben Lee Eisenberg (Drehbuch) und Gene Stupnitsky (Drehbuch und Regie) eine Art "Superbad"-Prequel gebastelt. Seine Komik bezieht der Film aus der Diskrepanz zwischen den guten Jungs und den schmutzigen Worten, Drogen und Sexspielzeugen, mit denen sie so ahnungslos wie forsch hantieren, und aus dem rührenden Charme der drei jugendlichen Darsteller.

I Am Mother

Nicolas Freund: Ein junges Mädchen wird allein von einem klobigen Roboter in einer unterirdischen Bunkeranlage großgezogen. Die Welt draußen sei komplett verwüstet, behauptet die Maschine, auf den Schultern des Kindes laste die Zukunft der Menschheit. Aber eine Überlebende, die eines Tages vor den Bunkertoren steht, sät Zweifel an der Geschichte des fürsorglichen Roboters. Will der Androide wirklich nur das Beste für die Menschen? Mit schauspielerischer Minimalbesetzung spielt das Filmdebüt von Grant Sputore auf der Höhe der Debatte um künstliche Intelligenz ein ausgefeiltes Horrorszenario zwischen Mensch und Maschine durch.

Paranza - Der Clan der Kinder

Nicolas Freund: Der 15 Jahre alte Nicola und seine Gang habe nur einen Traum: Einmal selbst als Mafiabosse über Neapel herrschen. Als bei einer Hochzeit die Führungsriege der organisierten Kriminalität der Stadt festgenommen wird, geht der Wunsch der Jugendlichen schneller als erwartet in Erfüllung. Die Verfilmung des ersten Romans von Roberto Saviano durch Claudio Giovannesi folgt den jugendlichen Laienschauspielern in die finstersten Gassen, sieht aber immer weg, wenn es zu schlimm wird. Ein Problem vieler Mafiafilme: Die kleinen und großen Verbrechen der Kinder erscheinen etwas zu harmlos und nachahmungswürdig..

Stuber - 5 Sterne Undercover

Fritz Göttler: Vic, der L.A.-Cop, hat ein Trauma, einen Partner-Tod bei einem gemeinsamen Einsatz, deshalb ist er nun fanatisch hinter dem mörderischen Oka her. Stu hat einen Traum, er jobbt als Uber-Fahrer und hätte gern eine Fünf-Sterne-Bewertung. Vic scheint da wahrlich nicht der richtige Fahrgast, als er nach einer Augen-OP nicht sehen und selber fahren kann, aber gerade einen heißen Tipp wegen Oka kriegt... Dave Bautista ist Vic, der Stand-up-Comedian Kumail Nanjiani ist Stu, der Film von Michael Dowse nutzt das Gefälle zwischen beider Motivationen für einen Mix aus brutaler Action und Slapstick, und hat schön viel Zeit für reflexive Momente. Den Killer gibt der Martial-Arts-Mann Iko Uwais ("The Raid").

Das zweite Leben des Monsieur Alain

Anke Sterneborg: "Ich ruhe mich aus, wenn ich tot bin", sagt Alain Wapler, Generaldirektor eines großen Automobilkonzerns, und dann kommt es tatsächlich fast so weit. Der Mann braucht eine Lektion, und bekommt sie, so wie Peugeot-Chef Christian Streiff, auf dessen Erfahrungen die Buchvorlage basiert. Nach einem Schlaganfall redet er Alain zwar immer noch ungebremst im Kommandoton, wegen der Sprachstörungen aber ziemlichen Unsinn. Die Verführung eines Workaholics zum achtsamen Leben ist unter der Regie von Hervé Mimran ziemlich ausgetretenes Terrain, bekommt dann aber doch eine besondere Note, durch Fabrice Luchini, der die Merkwürdigkeiten seines neuen Lebens mit kindlichem Staunen sortiert.

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Quelle:
SZ vom 22.08.2019
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