Süddeutsche Zeitung

Neue Doku von Michael Moore:One-Man-Show gegen Trump

Oscar-Gewinner Michael Moore greift mit einer eilig produzierten Doku in den amerikanischen Wahlkampf ein. Der Film gerät zur Predigt.

Filmkritik von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Am vergangenen Dienstag verkündete der Filmemacher und Bestsellerautor Michael Moore, dass er einen Film mit dem Titel "Michael Moore in Trumpland" gedreht habe. Noch am selben Tag kam dieser in New York, am darauffolgenden in Los Angeles ins Kino, allerdings jeweils nur auf einer einzigen Leinwand.

Der Weg zur Sichtung führt also nach Encino, einen Vorort im San Fernando Valley, das in den Augen von Angelenos gar nicht richtig zur Stadt gehört. Es finden sich dann auch lediglich 71 Menschen ein, während am selben Abend immerhin 90 Millionen Amerikaner die Debatte im Fernsehen ansehen.

Moores erklärtes Ziel, die Wahl zu beeinflussen, wird durch diese Umstände nicht gerade leichter. Ein jüngerer Premierengast verkündet im Kinosaal auch gleich, er werde keinesfalls wählen gehen, weil ihn das alles ankotze: "Ich will nur sehen, wie Moore mal richtig über Trump herzieht. Er soll ihn fertigmachen! Aber Clinton hasse ich auch." Dann setzt er sich und stopft sich Popcorn in den Mund.

Michael Moore weiß um das Problem. Seine Haltung ist ja bekannt. Er bewegt sich politisch selbst für europäische Verhältnisse am äußeren linken Rand des Spektrums.

Er drehte immer schon Filme und schrieb Bücher, die eher die Meinung seines Publikums bestärkten, als jemanden von neuen Ideen zu überzeugen - das aber mit wirkungsvoll beißendem Humor. Für seine Guerilla-Geschichten begab er sich oft in die metaphorischen Höhlen der Löwen, um diese dann ordentlich zu piksen und zu ärgern.

Der Film ist ein hastiger Zusammenschnitt einer Art One-Man-Show

In "Bowling for Columbine" forderte er vom Schauspieler und Waffenlobbyist Charlton Heston eine Entschuldigung dafür, dass er nach dem Tod eines kleinen Mädchens an Veranstaltungen der National Rifle Association (NRA) teilgenommen hatte. In "Fahrenheit 9/11" verlangte er, dass Abgeordnete, die für den Irak-Krieg gestimmt hatten, ihre eigenen Söhne als Soldaten in diesen Krieg schicken sollten.

Bei seinem in offensichtlicher Eile erstellten Trump-Film war für solche Aktionen keine Zeit. Es ist letztlich ein hastiger Zusammenschnitt einer Art One-Man-Show, mit Michael Moore in der Hauptrolle.

Für diesen Auftritt hat er Wilmington ausgesucht, ein 12 000-Einwohner-Kaff im Bundesstaat Ohio, einem der "Swing States", die die Wahl entscheiden können. Wilmington gilt als Trump-freundlich, das Publikum im Film ist jedoch eher Moore-freundlich.

Seine Angriffe auf Trump sind harmlos

Das ist dann auch das erste Problem dieses Films. Wer Moores pointierten Stil mag, dürfte sich langweilen. Es gibt zu Beginn ein paar schöne Gags. So trennt Moore die Besucher nach Herkunft. Um die mexikanischen Gäste errichtet er eine Mauer. Die Muslime schickt er auf einen Balkon und lässt Drohnen über ihnen aufsteigen.

Die Angriffe auf Trump danach jedoch sind derart harmlos, dass sie sogar gegen Alec Baldwins Trump-Imitation in der Sketchsendung "Saturday Night Live" vom letzten Wochenende verblassen.

Das zweite Problem - Moore argumentiert nicht, wie er das in seinen anderen Filmen ja sehr wohl und durchaus geschickt tut. Er predigt. Er erklärt die Regentschaft des weißen Mannes für beendet, arbeitet seine Forderungen nach schärferen Waffengesetzen, vernünftiger Krankenversicherung und Legalisierung von Marihuana ab.

Er warnt davor, die Präsidentschaftswahl zur Frustbewältigung zu missbrauchen, weil "das gewaltigste Leck-mich-doch in der Geschichte" bei einem Zwei-Kandidaten-System nur zum Sieg des Bösewichts führen würde.

Das sind alles Punkte, die in der Phrasen-Zentrifuge des Wahlkampfes längst zu Leerformeln verödet sind. Und doch spricht er mit der Verweigerungshaltung, die ja offensichtlich viele seiner Zuschauer teilen, einen wahlentscheidenden Punkt an.

Es ist ja nicht so, dass Michael Moore seine lustige Agitprop einfach so aus der Hüfte schießt. Jeder seiner Filme ist akribisch recherchiert. Nach Vorwürfen, er sei zu schlampig, heuerte er für "Fahrenheit 9/11" sogenannte Fact Checkers an, die früher teils für die gefürchtete Schlussredaktion des New Yorker gearbeitet hatten.

Im Juli dieses Jahres verschickte er an die Abonnenten seines Newsletters die beeindruckend detaillierte Analyse "Fünf Gründe, warum Trump gewinnen wird". Da rechnete er die Wahlmänner verarmter Industriegebiete gegen den Frust der Bernie-Sanders-Wähler auf, durchleuchtete die Trotzreaktionen frustrierter weißer Männer und schickte dann zum Glück noch eine Folgemail hinterher: "Fünf Wege, wie man sichergehen kann, dass Trump verliert". Darin rief er dazu auf, aktiv zu werden.

Genau da setzt er nun auch mit "Trumpland" an. Denn das Motivationsproblem ist gewaltig. Aus dem Slogan der Clinton-Anhänger "I'm with her" (Ich stehe hinter ihr) ist längt ein "I'm against him" (Ich bin gegen ihn) geworden.

Die Botschaft kommt rüber, ohne dabei immer schlüssig, akkurat oder treffend zu sein

Negative Motivation ist allerdings nie so wirkungsvoll wie die politische Begeisterung, die beispielsweise Barack Obama ins Amt brachte. Dafür hatte Moore in seinem Newsletter vom Juli sogar Zahlen. Ein begeisterter Wähler bringt in der Regel fünf Freunde und Bekannte zum Wählen, einer, der nur seine Bürgerpflicht tut, wahrscheinlich keinen.

Genau deswegen will Moore von seinem Publikum in Wilmington ein paar positive Dinge über Clinton hören. Und beginnt danach einen Monolog, in dem es 15 Minuten lang nicht darum geht, warum Trump nicht Präsident werden darf - sondern ausschließlich darum, warum Clinton zur Präsidentin gewählt werden muss.

Die Argumentationen sind nicht immer schlüssig, die Fakten nicht immer akkurat, die Vergleiche (vor allem der mit Papst Franziskus) nicht immer treffend. Doch genau darin liegt Moores Stärke: Er kann eine Botschaft vermitteln, ohne dabei immer schlüssig, akkurat oder treffend zu sein.

Michael Moore fürchtet die Linken, die bei der Wahl zu Hause bleiben. Die will er motivieren

"Diese Wahl wird dadurch entschieden, wie viele Menschen daheim bleiben", sagt Moore über die Entscheidung, aus diesem Auftritt einen Film zu basteln - und ihn nicht nur in zwei Kinos zu zeigen, sondern auch auf zahlreichen Streamingportalen: "Ich möchte Millionen Menschen überzeugen, ihre Stimme abzugeben. Ich will die ernüchterten Hillary-Sympathisanten ansprechen, die daheim bleiben wollen, weil sie die Wahl für bereits entschieden halten. Wir müssen bis zum letzten Tag kämpfen, an Haustüren klopfen und die Leute zu den Wahllokalen fahren."

"Trumpland" ist nicht besonders unterhaltsam - genau deshalb bietet er jedoch eine wohltuende Abwechslung in einem Wahlkampf, der die Menschen schon lange nicht mehr berührt, sondern einfach nur umhaut.

Aber erreicht er sein Ziel? "Was für ein Scheißfilm", sagt der eingangs zitierte junge Nicht-Wähler nach der Vorstellung zwar. "Früher hat Moore gegen die Waffenlobby gekämpft oder George W. Bush beschimpft, jetzt macht er einen auf Wahlhelfer für Hillary." Sein Kumpel aber will wissen, ob er denn nun zur Wahl gehen werde: "Was soll die Frage? Klar! Clinton scheint gar nicht mal so übel zu sein, wie ich immer dachte."

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Quelle:
SZ vom 21.10.2016/pak
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